„Ich will alles diskutieren“

Bevor sich die SPD für einen Koalitionspartner entscheidet, ruft die PDS eilig zum Sonderparteitag. Es gehe abseits aktueller Fragen um Grundsätzliches, sagt der Landesvorsitzende Klaus Lederer

INTERVIEW: MATTHIAS LOHRE

taz: Herr Lederer, ist das Rennen um die Koalition gelaufen?

Klaus Lederer: Nein, wieso?

Klaus Wowereit will am Freitag verkünden, mit wem die SPD Koalitionsgespräche führen will. Frühestens am Wochenende wäre Zeit für einen PDS-Sonderparteitag, der über Für und Wider von Koalitionsgesprächen beraten soll.

In Berlin beginnen Ferien, auch Delegierte fahren in Urlaub. Wahrscheinlich entscheidet sich der Landesvorstand daher für den kommenden Donnerstagabend als Parteitagstermin.

Knicken Sie vor der Tempomache Wowereits ein?

Wir sind eine souveräne Partei und sorgen schlicht dafür, dass unsere Unterhändler für Sondierungs- und mögliche Koalitionsverhandlungen ein Votum der Basis haben.

Der Parteitag verspricht eine Bewährungsprobe für die „Boy Group“ zu werden – die junge Realo-Führungstruppe um Wirtschaftssenator Wolf, Fraktionschef Liebich und Sie. Geht es um Ihren Kopf?

Auf dem Parteitag werden wir erst mal die Ergebnisse der Sondierungsgespräche beraten. Danach entscheiden wir, ob wir Koalitionsverhandlungen führen wollen. Und wie immer gehen Sach- vor Personalfragen. Ansonsten Danke für das Kompliment an unseren 50-jährigen Harald Wolf.

Viele Delegierte werden Verantwortliche für das desaströse Wahlabschneiden suchen. Manche kritisieren das erfolglose Werben um Grünen- und SPD-Wähler. Ostler und Erwerbslose habe die Partei vernachlässigt.

Über mögliche Richtungsentscheidungen auf dem Parteitag will ich nicht spekulieren. Richtig ist: Wir haben im Saldo Wähler an andere verloren, insbesondere ans Lager der Nichtwähler. Richtig ist aber auch: Wir haben mit unserem öffentlich geförderten Beschäftigungssektor als einzige Partei ein reales Berliner Angebot an Erwerbslose.

Ihre Konkurrenz von den Grünen betont immer wieder ihre Geschlossenheit. Können Sie deren demonstrativer Regierungsbereitschaft überhaupt noch etwas entgegen setzen?

Die Grünen sind erstaunlich: Heute gibt es für sie gar keine andere Option als die Regierung. Noch vor einem Monat betonten sie mit derselben Verve, wie wahnsinnig „stachlig“ sie seien. Das hat aber nichts mit uns zu tun: Wir machen unsere Entscheidung für oder wider Regierungsverantwortung allein von Inhalten abhängig.

Das wird die SPD ungern hören. Deren einziger Anspruch an den künftigen Koalitionär scheint zu sein: Hauptsache, er muckt nicht auf. Ihre Partei hingegen muss künftig eigenständiger auftreten, um Ihre Wähler zu erreichen. Wie soll dieser Spagat funktionieren?

Die Entscheidung über ihren künftigen Koalitionär trifft die SPD. Und die Frage nach dem Spagat halte ich für müßig. Wir müssen weiter analysieren: Welche Milieus will die Linkspartei ansprechen? Was machen wir mit den Nichtwählern? Sowohl denen, die nicht links gewählt haben, als auch denen, die andere Parteien nicht gewählt haben?

Sie wollen Nichtwähler an sich binden? Das klingt nach einer Neuausrichtung Ihrer Partei.

Wir wollen Menschen erreichen, die sich durch keine Partei mehr vertreten fühlen. Die sich keine Verbesserung ihrer Lage vorstellen können. Insbesondere auch im Westteil der Stadt, wo uns 2002 und 2005 schon mal erheblich mehr gewählt hatten. Also fragen wir uns: Wie können wir die Lebenssituation dieser Menschen beeinflussen? In erster Linie geschieht das durch die Bundespolitik, erst in zweiter durch Landespolitik. Das alles will ich in der Partei gern grundsätzlich diskutieren – abseits des Geredes über angebliche „Stachligkeit“ und „Verlässlichkeit“. Und abseits der aktuellen Frage: Wer regiert die Stadt?