Der Billigste, bitte!

Die Barmer-Ersatzkasse gibt Vergleichslisten für Krankenhäuser raus: Patienten im Ruhrgebiet sollen möglichst nur in preiswerten Kliniken behandelt werden. Patienten- und Klinik-Vertreter sind empört

VON ANNE HERRBERG

Hauptsache billig: Die Barmer-Ersatzkasse will Krankenhauskosten sparen. So genannte Transparenz-Listen, die an Hausärzte im Ruhrgebiet verschickt wurden, sollen Empfehlungen geben, in welchen Kliniken Behandlungen am preiswertesten sind. Zum Beispiel der Preis für eine Blinddarm-Operation: der kann in den einzelnen Häusern um bis zu 700 Euro schwanken. „Eine indirekte Aufforderung, Patienten nur in das preiswerteste Krankenhaus einzuweisen“, so Eckhart Kampe, Bochumer Hausarzt und Sprecher der kassenärztlichen Vereinigung.

Als Ausdruck einer „‚Geiz-ist-geil‘-Mentalität“ bezeichnet Wolfram Candidus solche „Preis-Vergleichslisten“. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Versicherte und Patienten (DGVP). Nicht der Preis, sondern das Wohl der Patienten müsse im Vordergrund stehen. Man könne ja keinem älteren Menschen zumuten, statt am Wohnort in einem entfernten preiswerteren Haus behandelt zu werden.

Für Eckhart Kampe ist das Empfehlungsschreiben der erste Schritt in Richtung einer Budgetierung, wie sie bereits im Medikamentenbereich existiert. „Völliger Unsinn“, kommentiert Susanne Uhrig, Pressesprecherin der Barmer Ersatzkasse. Die Effizienz stehe im Vordergrund, damit die Beitragssätze stabil gehalten werden könnten. „Die medizinische Notwendigkeit bleibt nach wie vor ausschlaggebend bei der Entscheidung, welche Klinik empfohlen wird,“ so Uhrig, „wir schreiben den Ärzten nichts vor.“ Allerdings werden die Hausärzte seit 2005 an den Ersparnissen der Barmer-Kasse beteiligt. Aus einem Gesamtfonds fließen 60 Prozent des jährlich Gesparten an sie zurück – von höchstens 100 Euro spricht Hausarzt Kampe; von einem Bonus, der Anreiz schafft, Heinz Werner Bitter, Geschäftsführer des Zweckverbandes der Ruhr-Krankenhäuser.

Vor allem die als teuer eingestuften Krankenhäuser fühlen sich von Barmer auf den Schlips getreten. Denn die Liste sei „eine grobe Verzerrung“, wie Bitter meint. Die Sätze, die für eine bestimmte Behandlung in einem bestimmten Krankenhaus gelten, werden jedes Jahr zwischen Kostenträgern und Krankenhausverbänden ausgehandelt. Da nicht alle gleichzeitig verhandeln können, würden manche Häuser früher, manche erst später im Jahr bewertet. „Ein Haus, das von der Barmer als teuer eingestuft wurde, ist vielleicht zwei Monate später das billigste“, empört sich Bitter. „diese Listen sind falscher als falsch!“ Sie würden allein dazu führen, dass manchen Krankenhäusern die Patienten ausbleiben – oder gar schließen müssten, wie Wolfram Candidus befürchtet. Auch momentan preiswert eingestufte Krankenhäusern lehnen die Liste deshalb ab. „Das ist lächerlich, ein Treppenwitz“, empört sich Peter Weingarten, Geschäftsführer des Marienhospitals in Gelsenkirchen. „Das ist weder im Sinne der Barmer Ersatzkasse noch der Ärzte und Patienten.“

Bisher ist die Barmer die einzige Kasse, die solche Transparenz-Listen herausgibt. Für Heinz Werner Bitter vor allem deswegen ein „Riesen-Skandal“, weil voraussichtlich ab 2009 bundesweit einheitliche Sätze eingeführt werden sollen.