Hakenkreuze auch für Antifa tabu

Der Geschäftsführer des Punk-Versandes „Nix Gut“ steht in Stuttgart vor Gericht. Für den Staatsanwalt ist das Zeigen von Nazisymbolen generell tabu – auch wenn es dem Kampf gegen Rechtextremisten dient. Ein Urteil wird morgen erwartet

AUS STUTTGART HEIDE PLATEN

So oft wie gestern hat der Vorsitzende Richter der Staatsschutzkammer des Stuttgarter Landgerichts noch nie gesagt: „Hau weg den Scheiß!“ Und: „Fick Heil!“ Und: „Nazis, verpisst euch!“

Der Prozess gegen den wegen Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen angeklagten Geschäftsführer des Punk-Versandes „Nix Gut“ aus dem schwäbischen Winnenden, Jürgen Kamm, begann gestern mit einer Inaugenscheinnahme. Oberstaatsanwalt Bernhard Häußler hatte drei paketgroße Kartons mit Waren mitgebracht, insgesamt 82 exemplarische Positionen, T-Shirts, Fahnen, Buttons, Aufkleber. Auf allen waren Hakenkreuze zu sehen.

Richter Küllmer schüttelte sie aus, schwenkte Hemden und kurze Hosen zur Herstellung der Öffentlichkeit in Richtung Zuhörerraum, hielt sich manchen Mini-Button dicht vor die Augen, entzifferte die Schrift und stellte fest, dass die Hakenkreuze, mit der Faust „zerschlagen“, dem Fuß „zertreten“, dem Hammer „zertrümmert“ werden.

Staatsanwalt Häußler hatte diese Bildaussagen einheitlich als „verdeckt“ charakterisiert. Der Angeklagte habe „gewerbsmäßig“, „massenhaft“ und gewinnorientiert gegen den Paragrafen 86a des StGB verstoßen, der das Zeigen von Hakenkreuzen nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zulässt.

Die Gegenstände waren im August 2005 bei einer Durchsuchung beschlagnahmt worden. Das, so der Angeklagte, habe gravierende Folgen für den Betrieb gehabt, in dem auch Schwerbehinderte beschäftigt werden. Mit privatem Geld habe man sich retten können, aber auch unter der Unsicherheit gelitten, was die Produktpalette betraf.

Er selbst komme aus der Punkszene, habe in einer Band gespielt und verdiene wenig an den Anti-Nazi-Kampfmitteln, die nur 10 bis 15 Prozent des Umsatzes ausmachten. Er handele aus politischer Überzeugung.

Kamm zählte eine Reihe von anderen Fällen auf, bei denen ebenfalls Anti-Nazi-Hakenkreuze zu sehen waren – in Fußballstadien als Verbotshinweis, im TV-Werbespot „Wir sind Deutschland“, als Aufnäher einer Sondereinheit der Polizei Mecklenburg-Vorpommern. Dort hatte das Landesamt für Verfassungschutz außerdem eine Broschüre mit explit nicht verboteten Emblemen herausgegeben.

Staatsanwaltschaft Häußler hatte im Vorfeld der Verhandlung öffentlich immer wieder darauf beharrt, dass das Zeigen von Nazisymbolen, egal zu welchen Zweck, strafbar bleiben müsse. In seinem Plädoyer forderte er eine generelle „Tabuisierung“. Nur so könne der Intention des Gesetzes Rechnung getragen werden. Die Bedeutung des Symbols als Gegenwehr sei von nicht vorgebildeten, „unbedarften“ Dritten nicht „eindeutig“ auf den ersten Blick zu erkennen.

Besonders das Hakenkreuz im Papierkorb sei interpretierbar: „Wird es hineingeworfen oder herausgezogen?“ Diese Ambivalenz hätten sich Neonazis schon zunutze gemacht und ihrerseits mit dem Schriftzug: „Ihr macht uns heiter, der Kampf geht weiter!“ versehen. Er hielt Kamm zugute, dass dieser die Nazis wirklich bekämpfen wolle. Außerdem habe das Verfahren „erhebliche Auswirkungen“ auf sein Geschäft gehabt. Er forderte eine Ahndung „am unteren Rahmen des Strafmaßes“, eine Geldstrafe von 6.000 Euro.

Verteidiger Thomas Fischer beantragte, seinen Mandanten nicht zu verurteilen. Auf eine Forderung nach Freispruch verzichtete er, weil er in einem einzigen Fall bei einer Single der Gruppe „Schleimkeim“ einen Verstoß gegen den Paragrafen 86a gegeben sah. Der Prozess wird morgen fortgesetzt.