3.000 Mitarbeiter in die Pleite geschickt

BenQ will kein Geld mehr in seine deutschen Handy-Fabriken stecken. Dabei hatte der Konzern diese erst 2005 von Siemens übernommen und dafür mehrere hundert Millionen Euro bekommen. IG-Metall wirft Management „eklatantes Versagen“ vor

AUS BERLINSTEPHAN KOSCH

Nur knapp ein Jahr nach der Übernahme dreht der Elektronikkonzern BenQ aus Taiwan der früheren Handy-Sparte von Siemens den Geldhahn zu. Die Konzernmutter teilte gestern in Taipeh mit, dass sie ihre Zahlungen an die deutsche Tochtergesellschaft mit sofortiger Wirkung einstellt. Die Produktion und Entwicklung von Handys der Marke BenQ-Siemens soll künftig ausschließlich in Asien erfolgen. Die deutsche Sparte wird Insolvenz anmelden, 3.000 Arbeitsplätze in Deutschland sind in Gefahr. „Jetzt ist wirklich Feuer unterm Dach“, sagte ein Unternehmenssprecher.

BenQ hatte die defizitäre Handy-Produktion von Siemens mit weltweit rund 6.000 Beschäftigten zum 1. Oktober 2005 von Siemens übernommen und dafür von dem Unternehmen noch zusätzlich einen dreistelligen Millionenbetrag als Mitgift ausbezahlt bekommen. BenQ kann den Markennamen Siemens noch fünf Jahre lang benutzen, will ihn aber schon ab Frühjahr 2007 schrittweise durch ein eigenes Logo ersetzen.

Bei der Übernahme hatte BenQ zugesichert, alle Arbeitsplätze in Deutschland vorerst zu erhalten, und auch die von Siemens gegebene Standortgarantie bis 2006 für das nordrhein-westfälische Werk Kamp-Lintfort zu übernehmen. Anschließend wollte BenQ eine Firma gründen, die die Mitarbeiter zumindest für ein Jahr weiter beschäftigt. Was danach mit den Jobs in Deutschland passieren sollte, hatte BenQ schon damals offen gelassen.

Im Juli kündigte BenQ Mobile dann an, dass in Deutschland 530 Mitarbeiter in der Forschung- und Entwicklungsabteilung gehen müssen, im August räumte der Chef der Sparte Clemens Joos ein, dass das Sanierungsziel verfehlt werde und die Gewinnzone erst Mitte 2007 erreicht werde. Ursprünglich war dies für das Jahresende vorgesehen. Ein Unternehmenssprecher sagte zu diesem Zeitpunkt, dass man sich alle Standorte noch einmal „ganz genau ansehen“ werde.

Nun trifft es offenbar vor allem die deutsche Produktion. Dazu zählen die Zentrale in München mit 1.400 Beschäftigten sowie die Fabriken in Bocholt und Kamp-Lintfort mit insgesamt 1.600 Mitarbeitern, hinzu kommen noch mehrere hundert Zeitarbeitskräfte. BenQ will das Geschäft mit Handys der Marke BenQ-Siemens zukünftig aus Asien heraus fortführen und nur noch die dortigen Werke nutzen. „Ungeachtet der Fortschritte bei dem Abbau der Kosten und Ausgaben ist diese sehr schmerzliche Entscheidung unvermeidlich gewesen“, ließ BenQ-Chef Kun-Yao Lee mitteilen.

Siemens-BenQ hatte immer weiter an Marktanteilen verloren und spielte zuletzt mit 3 Prozent auf dem Weltmarkt nur noch eine Nebenrolle. Für den Leiter der IG Metall Bayern, Werner Neugebauer, ist die bevorstehende Insolvenz die Folge eines „eklatanten Versagens des Managements“. Bei der Übernahme war die Führungsspitze nahezu vollständig im Amt geblieben. Jetzt zeige sich, dass alte Strukturen mit unverändertem Management nicht verbessert werden könnten. Dabei hätten die Beschäftigten auf rund 28 Prozent ihres Einkommens verzichtet, um der notleidenden Handy-Sparte auf die Beine zu helfen.

„Damit ist zum wiederholten Mal traurig bewiesen, dass die Probleme in einzelnen Teilen von Siemens nicht an den angeblich zu hohen Gehältern der Beschäftigten, sondern an der Unfähigkeit des Managements liegen.“ Neugebauer forderte nun den früheren Besitzer der Sparte zum Eingreifen auf: „Siemens ist und bleibt jetzt in der moralischen Verantwortung!“

mit Agenturen