Ein Kessel Buntes

Das Filmfest Hamburg startete einst in den 1970er Jahren als „Filmfest der Filmemacher“ und verlegte sich im Lauf der Zeit immer mehr auf Stars und Glamour. Heute Abend beginnt nun das 14. Filmfest Hamburg, ein eigenes Profil ist aber auch in diesem Jahr nicht zu erkennen

Es ist schwer auf den Punkt zu bringen, dieses Filmfest in Hamburg, das mit den Jahren verschiedenen Verwandlungen erfahren hat und heute etwas hilflos nach einem Profil zu suchen scheint. In den späten 1970er Jahren regten deutsche Regisseure wie Bohm, Herzog, Schlöndorff und Wenders dazu an, weit weg vom schicken München ein „Filmfest der Filmemacher“ zu gründen. Doch Mitte der neunziger Jahre gab es bei den Hanseaten eine Tendenz, noch mehr Stars und Glamour als die Konkurrenten an der Isar in die Stadt zu locken.

Dann wurde das Geld knapper und die Ansprüche kleiner, und nun werden zwar in acht Sektionen etwa 100 Spielfilme gezeigt, doch es fehlt dabei das Gefühl, ein bestimmter Film könnte nur auf dem Filmfest Hamburg und keinem anderen Festival gezeigt werden. Dies passiert in Berlin, in München, sogar in Oldenburg – aber in Hamburg erscheint das Programm am ehesten noch wie ein Kessel buntes.

Ein solcher ist natürlich auch nicht zu verachten. Aber warum wird etwa der Douglas-Sirk-Preis auf dem Filmfest Hamburg an Gérard Depardieu verliehen, und statt einer kleinen Hommage mit Filmen von ihm wird nur seine neue Produktion „Quand j‘etais chanteur“ gezeigt? Die hat zwar viele Kinobesitzer bei einer Tradeshow in Leipzig vor einigen Wochen begeistert, aber sie kommt eben deshalb auch schon bald ganz regulär in die Kinos.

Die Namen der Sektionen „Agenda 06“, „Deluxe“, „Eurovisuell“ oder „Voilá!“ nähren den Verdacht einer diffusen Beliebigkeit. So ist die neue Kitschorgie aus Bollywood „Kabhi Akvida Naa Kehna“ mit dem Frauenschwarm Shah Rukh Khan ein Selbstläufer und einiges wird einfach von Cannes und Sundance nachgespielt. Zum Beispiel das schräge Roadmovie „Little Miss Sunshine“ von Jonathan Dayton und Valerie Faris, das als ein garantierter Publikumsliebling aufs Programm gesetzt wurde.

Die Stimmung dämpfen wird dagegen ebenso sicher der in einer amerikanischen Kleinstadt gedrehte „The House is Burning“ von Holger Ernst, in dem mit deutschem Tiefsinn das Trauma von 9/11 bearbeitet werden soll. Wim Wenders ist einer der Produzenten dieses Film, den das Branchenblatt Variety als „überdrehtes Screamfest“ bezeichnete. Die schärfsten Kritiker der Amerikaner sind immer noch selber welche, wie etwa Richard Linklater mit „Fast Food Nation“ beweist, einem Thriller, in dem Stars wie Bruce Willis und Ethan Hawke mitspielen, und dessen Schurke die Fleischindustrie ist.

Mit Entdeckungen aus Südafrika, Paraguay, Libanon, Ägypten, Bosnien und Herzegowina werden fast gänzlich unbekannten Filmländer vorgestellt, während das zur Zeit so fruchtbare asiatische Kino kaum vertreten ist. Wohl weil inzwischen die größeren internationalen Festivals dort den Rahm abschöpfen.

Mit den Programmschienen „Filmszene Hamburg“ und „TV Spielfilm im Kino“ hat die heimische Filmproduktion traditionell ein großes Schaufenster beim Filmfest. Als eine hanseatische Antwort auf Petersens „Poseidon“ läuft dort „Der Untergang der Pamir“ von Kaspar Heidelbach vom Stapel. In diesem dreistündigen Spielfilm wird von dem mysteriösen Untergang des größten deutschen Schulschiffs im Jahr 1957 erzählt. Ein Film, der fast schon zu gut auf dieses Filmfest passt, obwohl dieses ganz bestimmt nicht als „maritim“ gelten will. WILFRIED HIPPEN

Filmfest Hamburg, von 5. bis 12.10.