Hamburg geht auf Muslime zu

Bürgermeister Ole von Beust will mit den Muslimen in der Hansestadt einen Staatsvertrag schließen – und sie damit Christen und Juden gleichstellen. Der Vorstoß ist bundesweit bisher einmalig und bringt dem CDU-Mann auch von der Opposition Beifall

AUS HAMBURG MARCO CARINI

Hamburg will als erstes Bundesland mit den Muslimen über einen Staatsvertrag verhandeln. Das kündigte Bürgermeister Ole von Beust bei einem Besuch der Hamburger Centrums-Moschee an. Er sei „sofort bereit zu Gesprächen über Ausmaß, Form und Inhalt der Zusammenarbeit zwischen Staat und Muslimen“, sagte der CDU-Mann. Dabei müsse aber sicher sein, dass die Muslime für „die meisten ihrer Brüder und Schwestern sprechen und damit das abdecken, was die christlichen Kirchen für sich in Anspruch nehmen können“.

Bislang gibt es Staatsverträge der Länder nur mit der evangelischen und katholischen Kirche sowie mit jüdischen Gemeinden. Vertreter verschiedener muslimischer Organisationen der Hansestadt hatten wiederholt gefordert, eine solche Vereinbarung auch mit ihnen zu treffen.

Mustafa Yoldas, Hamburger Vorsitzender des Rats der Islamischen Gemeinden (Schura), reagierte erfreut auf den Vorstoß von Beusts: „Wenn der Bürgermeister uns an einen Tisch holt und von uns verlangt, dass wir uns in den strittigen Fragen einigen, dann wird das auch geschehen.“ Er sei „zuversichtlich“, dass sich die Vertreter der 130.000 Muslime in der Hansestadt auf einen gemeinsamen Ansprechpartner einigen könnten.

Erst vergangene Woche hatte Yoldas in der taz gefordert, dass den Muslimen „der Einfluss, den die Kirchen auf Gesellschaft und Politik haben“, nicht länger „verwehrt“ bleibe. Die „gewählten muslimischen Vertretungen“ brauchten einen sicheren Rechtsstatus, der sie als verbindlichen Ansprechpartner für den Staat legitimiere.

In einem Staatsvertrag könnte die Ausbildung von Imanen und Religionslehrern, die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts an Schulen oder die Einrichtung muslimischer Friedhöfe geregelt werden. Auch Mitspracherechte in den Rundfunkräten und die Mitfinanzierung von Kindergärten stehen auf Yoldas Wunschliste. Als Konfliktpunkt sieht der Schura-Vorsitzende die staatlichen Maßnahmen von der Rasterfahndung bis zur Durchsuchung der Moscheen, denen die Hamburger Muslime nach dem 11. September 2001 ausgesetzt waren.

Von Beusts Angebot löste gestern in Hamburg positive Reaktionen aus. Ein solcher Staatsvertrag sei „überfällig“, sagte Nebahat Güclü, migrationspolitische Sprecherin der Grün-Alternativen-Liste (GAL). Der Dompfarrer der St. Marienkirche, Georg von Oppenkowski, wertete einen Staatsvertrag als wichtiges „Zeichen des Vertrauens gegenüber den Muslimen“.

In Berlin begrüßte der Innenexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Hartfried Wolff, die angekündigten Verhandlungen als „begrüßenswertes Signal“, das bundesweit Impulse geben könne. Der Staat solle aber nur mit muslimischen Organisationen verhandeln, „die das Grundgesetz und die Grundwerte unserer Gesellschaft ohne Vorbehalt mittragen“ und „durch den vornehmlichen Gebrauch der deutschen Sprache zeigen, dass sie in der Mitte der Gesellschaft angekommen sind“, forderte Wolff.