„In Hass und Gewalt“

Ein islamfeindlicher Kommentar hat den Toulouser Lehrer und Autor Robert Redeker zum Ziel von Morddrohungen gemacht. Nun bemühen sich Frankreichs Medien und Intellektuelle um Solidarität

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Wie ein Echo auf Ereignisse in anderen europäischen Ländern wirkt in Frankreich die Aufregung um den Fall Robert Redeker: Petitionen, politische Erklärungen, Debatten im Web und Polizeischutz für den Betroffenen und seine Familie. Der Philosophielehrer aus der Provinzstadt Toulouse hatte in einem Artikel im rechten Figaro gegen den Islam vom Leder gezogen. Hatte den Koran als ein „Buch nie da gewesener Gewalt“ bezeichnet, hatte erklärt, MuslimInnen würden „in Hass und Gewalt“ erzogen, und behauptet, der Prophet Mohammed sei ein „Meister des Hasses“ – während Jesus ein „Meister der Liebe“ sei.

Der Artikel erschien am 19. September auf der Meinungsseite des Figaro. Versehen mit der Überschrift „Was muss die freie Welt angesichts der islamistischen Einschüchterungen tun?“ sowie einem Foto des 52-jährigen Redeker. Schon tags drauf folgte der Provokation eine explizite Drohung: Youssef al-Qaradawi, einflussreicher Prediger des arabischen Nachrichtensenders, bezeichnete ihn als einen „der Islamophoben des Augenblicks“. In verschiedenen arabischen Ländern wurde daraufhin der Figaro beschlagnahmt.

Seither hat Redeker mehrere Morddrohungen per Mail erhalten, wird rund um die Uhr vom französischen Geheimdienst DST geschützt und ist Gegenstand von Petitionen aus den unterschiedlichsten Lagern. In einer davon, die in der Zeitung Le Monde erschien, erklären Intellektuelle, die den Kampf der Zivilisationen schon seit langem zu ihrem Thema gemacht haben, ihre Unterstützung für Redeker. Unter anderem appellieren darin die Pariser Philosophen Alain Finkielkraut und André Glucksmann gegen die „Handvoll von Fanatikern, die mit vermeintlich religiösen Gesetzen (…) unsere grundlegenden Freiheiten in Frage stellen“. Sie appellieren „feierlich“ an die Regierung, sich „mit einer starken Geste“ um Redeker zu kümmern: „so wie es die englische Regierung mit Rushdie getan hat“.

Für Redeker setzen sich auch rechte und rechtsextreme PolitikerInnen einen. Unter anderem forderte der rechtskatholische Philippe de Villiers den Staatspräsidenten dazu auf, den Philosophielehrer so lange im Elysée-Palast aufzunehmen, bis die Bedrohung beendet sei.

Allen Beteiligten ist klar, dass Redeker nicht das Kaliber eines Rushdie hat. Er hat zahlreiche Zeitungsartikel geschrieben (darunter vor Jahren auch einen Text über Michel Foucault, der in der taz erschien) und ein paar philosophische Bücher veröffentlicht.

Wenn es um den Islam geht, erinnert sein aggressiver Stil an die letzten Schriften der verstorbenen italienischen Autorin Oriana Fallaci. Er ist ein fester Mitarbeiter der einst von Sartre gegründeten Zeitschrift Les Temps modernes. Und ein mittelmäßig bekannter und mit den Jahren nach rechts gedrifteter Polemiker. Auch deswegen tun sich manche Linke – darunter GewerkschafterInnen und MitarbeiterInnen des Online-Forums Indy-Media – schwer mit seiner Verteidigung. Wegen der inakzeptablen Bedrohung der Meinungsfreiheit fordern sie unisono den Schutz des Philosophielehrers. Doch zugleich stellen sie klar, dass sein Text rassistische Züge habe, und fragen, ob Redeker als Philosophielehrer einer staatlichen Schule überhaupt dazu tauge, seinen SchülerInnen die nötige Toleranz nahezubringen. In Web-Foren heißt es auch: Wenn Redeker in der von ihm gewählten Form nicht gegen den Islam, sondern gegen das Judentum polemisiert hätte, wäre bereits Anklage wegen Aufwiegelung zum Antisemitismus gegen ihn erhoben worden.

In dieser Woche schreibt das kein bisschen linke Satire-Blatt Canard Enchaîné polemisch: „Lasst uns das Recht auf idiotische Texte verteidigen.“ Und fährt nachdenklich fort: „Wer tatsächlich die Verständigung sucht, der sollte statt der Beschimpfung den Dialog suchen.“

Der Islamwissenschaftler Olivier Roy erklärt in der Zeitung Libération, dass es „den“ von Redeker beschriebenen monolithischen Islam gar nicht gäbe – sondern vielmehr eine weitverzweigte, vielschichtige und mehrheitlich resignierte muslimische Öffentlichkeit. Auch die SprecherInnen des Islam in Frankreich, der zweitgrößten Religionsgruppe im Land, distanzierten sich umgehend und deutlich von den Drohungen gegen Redeker. Darunter Soheib Bencheikh, Direktor des islamwissenschaftlichen Institutes in Paris, der erklärte: „Jeder hat das Recht, den Islam zu kritisieren, genau wie das Christentum in der Epoche der Aufklärung. Den Islam nicht zu kritisieren, wäre eine Form der Segregation.“

Aber zugleich erinnern die religiösen SprecherInnen auch an ein „Klima der Islamophobie“. Abdelhakim Sefrioui, Mitglied des vom Innenminister gegründeten Muslimrates, stellte klar: „Die Meinungsfreiheit wird immer dann verteidigt, wenn jemand versucht, den Islam zu stigmatisieren.“