Protest gegen Sammelunterkunft

Initiativen kritisieren die Unterbringung von Flüchtlingen in einem Haus der Arbeiterwohlfahrt. Demo am Samstag

„Wenn du hier nie gewohnt hast, kannst du dir nicht vorstellen, was es bedeutet, hier zu wohnen“, berichtet Frank Iwapelu. Der 38-jährige Flüchtling aus Nigeria hat mehrere Monate im Abschiebegefängnis Köpenick verbringen müssen. Vor zwei Monaten wurde er entlassen. Doch richtig froh ist er darüber nicht. Seine aktuelle Adresse lautet Motardstraße 101a. Dort, im Spandauer Industriegebiet, betreibt die Arbeiterwohlfahrt Mitte seit Jahren die Zentrale Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge (ZASt). Wegen der sinkenden Zahl von AsylbewerberInnen ist die für 750 Personen ausstattete Einrichtung seit Jahren nicht ausgelastet.

Das könnte sich bald ändern. Denn laut Flüchtlingsinitiativen und Antirassismusgruppen verwandelt sich die Unterkunft immer mehr zu einem offiziellen Ausreiselager. „Still und heimlich entsteht in der Motardstr. 101a Berlins erstes Ausreisezentrum“, sagte Frank Schlögel von dem antirassistischen Bündnis „Chipkarteninitiative“ der taz. Dort würden nach Paragraph 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes geduldete MigrantInnen untergebracht. Ihnen werfen die Behörden vor, lediglich aus finanziellen Gründen nach Deutschland eingereist zu sein. Dabei habe die rot-rote Koalition noch in der alten Koalitionsvereinbarung die Errichtung eines Ausreisezentrums in Berlin ausgeschlossen, so Schlögel.

Der Vorwurf der Initiative: Die Flüchtlinge sollen dazu gebracht werden, das Land von sich aus zu verlassen. „Sie werden nur mit dem Überlebensnotwendigen versorgt“, sagt Schlögel. Das Essen sei zudem oft von schlechter Qualität.

Eine Sprecherin der Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) wollte sich dazu nicht äußern. Sie verwies lediglich auf die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Abgeordnetenhaus. Darin bestätigt ein Senatssprecher, dass in der Einrichtung in der Motardstraße Flüchtlinge untergebracht werden, „für die Voraussetzungen des Paragraphen 1a des Asylbewerberleistungsgesetzes“ erfüllt sind. Allerdings wollte der Senat nicht von einem Ausreisezentrum sprechen. „Für die Unterbringung in der Motardstraße ist nicht die Vollziehung der Ausreisepflicht, sondern allein die Erfüllung der Voraussetzungen des Asylbewerberleistungsgesetzes entscheidend.“ Etwa 100 BewohnerInnen der Motardstraße 101 fallen mittlerweile unter diese Kategorie.

Die Cateringfirma Dussmann versorgt sie morgens und abends mit Essenspaketen. Steffen Ritter von der Kommunikationsabteilung von Dussmann weist die Kritik an der Qualität der Lebensmittel zurück. „Wir versorgen mit dem gleichen Essen seit etlichen Jahren Krankenhäuser in den Stadtteilen Wedding und Pankow. Kritik an der Qualität haben wir noch nicht gehört.“ Die Initiativen sehen das Problem vor allem in der standardisierten Essensauswahl. Viele Flüchtlinge würden lieber selber einkaufen und kochen und verlangen deshalb Bargeld statt Essenspaketen, berichten sie.

Unterstützt vom Berliner Flüchtlingsrat demonstrieren die Initiativen morgen im Rahmen eines Aktionstages für die Rechte der Flüchtlinge und eine sofortige Schließung des Heimes in der Motardstraße. Um 12 Uhr ist eine Kundgebung in der Nähe des Kulturkaufhauses Dussmann in der Friedrichstraße geplant, wo gegen die Cateringfirma protestiert werden soll. Um 15 beginnt eine Kundgebung vor der Motardstraße 101a. Dort wollen auch einige BewohnerInnen über ihre Situation sprechen. PETER NOWAK

Weitere Infos: www.chipkartenini.squat.net