Fiese Züge neben dem Brett

Wesselin Topalow gewinnt bei der Schach-WM in Elista seine erste Partie gegen Wladimir Kramnik – die Manager der Großmeister haben ihren Streit noch lange nicht beigelegt und werfen sich weiter gegenseitig Betrügereien vor

BADEN-BADEN taz ■ Der Psychokrieg hat bei Wladimir Kramnik scheinbar doch Spuren hinterlassen. Bei der WM-Titelvereinigung im südrussischen Elista gewann Wesselin Topalow mit Schwarz in 52 Zügen seine erste Partie. Damit steht es in dem mit einer Million Dollar dotierten Kampf in Kalmückien 4:4. Die neunte von maximal zwölf Begegnungen wird heute ausgetragen, die zehnte folgt morgen. Kramnik spielt aber weiterhin nur unter Protest. „Ich behalte mir rechtliche Schritte gegen die Wertung nach dem Match vor“, kündigte der Russe an. Er will die Entscheidung, Topalow die fünfte Partie wegen der Toiletten-Affäre kampflos zuzusprechen, nicht akzeptieren.

Dabei schien diese endlich überstanden zu sein. „Vielleicht geriet alles zu emotional. Darauf kann ich nicht stolz sein. Wir sind alle Menschen und machen manchmal Fehler“, hatte Topalow nach dem Remis in der sechsten Partie kleinlaut eingeräumt. Die abstrusen Beschuldigungen, sein Kontrahent würde auf dem nicht videoüberwachten Klo mit einem Computer bescheißen, kosteten den Bulgaren alle Sympathien der Fans.

Just als sich die Gemüter etwas beruhigt hatten, ließ sein Manager Silvio Danailow den nächsten schmutzigen Trick folgen. 15 Minuten vor der siebten Begegnung versuchte er, in einer Presseerklärung einmal mehr weiszumachen, Kramnik setze das Programm „Fritz 9“ in seinem Waschraum ein. Eine Statistik sollte die Übereinstimmung der Vorschläge von „Fritz 9“ und der von Kramnik im Wettkampf gespielten Züge belegen.

Abgesehen davon, dass Danailow nicht einmal in der Lage war, die Zugzahl der dritten Partie korrekt aufzulisten, und somit falsche Daten ermittelte, beweist eine Zugübereinstimmung von 76,7 Prozent überhaupt nichts. Jeder starke Großmeister würde auf einen ähnlichen Wert kommen. „Die Prozentzahl ist barer Unsinn. Alles hängt davon ab, wie lange man die Maschine laufen lässt“ und wartet, bis der passende Zug angezeigt wird, befand Kramnik und ergänzte süffisant: „Topalows Prozentsatz in San Luis lag zum Beispiel viel höher.“ Bei der WM des Schach-Weltverbandes Fide 2005 in Argentinien hatten zwei Teilnehmer dem Bulgaren Computer-Betrugsversuche unterstellt, an die heute noch viele glauben.

Schon vor seiner ersten Niederlage auf dem Brett hatte Kramnik mit Blick auf das „gegnerische Team“ geäußert: „Die tun mir leid. Die versuchen jeden schmutzigen Trick, um mich aus dem Konzept zu bringen.“ Das Management des 31-Jährigen appellierte daher an die Fide-Ethik-Kommission, endlich gegen die Provokationen einzuschreiten. Außerdem forderte Kramnik-Manager Carsten Hensel, die Toiletten-Kontrolleure aus dem Topalow-Team vor jeder Inspektion zu filzen. Nach Informationen des Dortmunders soll es Hinweise geben, wonach die Bulgaren verdächtiges Material in den Waschraum schmuggeln wollten, um einen weiteren Skandal heraufzubeschwören. HARTMUT METZ