Der Milliarden-Poker

Nordrhein-Westfalens Regierung verschiebt den Verkauf der landeseigenen Wohnbaugesellschaft LEG. Gutachten fordert hohe soziale Standards beim Mieterschutz – und wird nicht veröffentlicht

VON HOLGER PAULER

Die Landesregierung verzögert den Verkauf der Landesentwicklungsgesellschaft (LEG). Weder Staatskanzlei noch das zuständige Bauministerium wollen bestätigen, dass die Privatisierung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft wie ursprünglich geplant am 17. Oktober vom Kabinett beschlossen wird. CDU und FDP hatten in ihrer Koalitionsvereinbarung festgelegt, die landeseigene LEG mit ihren 110.000 Mietwohnungen an einen privaten Investor zu verkaufen.

Gerüchten aus der Union zufolge soll es Unstimmigkeiten über die weitere Vorgehensweise geben: Das an die WestLB und die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim in Auftrag gegebene Gutachten zur Bewertung der LEG sei nicht im Sinne der Regierungspläne ausgefallen. Felix von Grünberg, stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Mieterbundes NRW (DMB NRW) vermutet, dass „sehr hohe soziale Standards im Mieterschutz festgeschrieben wurden“.

Die Inhalte des Gutachtens sollen der Öffentlichkeit weiter vorenthalten werden. Ursprünglich sollte die Expertise noch vor dem Kabinettsbeschluss vorgestellt werden. Als Zeitraum war die zweite Septemberwoche vorgesehen. Die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der SPD-Fraktion vom 11. September lautet lapidar: „Eine Information über das Ergebnis des Gutachtens und die Entscheidung der Landesregierung wird kurzfristig nach der Kabinettsentscheidung erfolgen.“

Auch Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) hat seine Zweifel. Ohne nähere Begründung hat er die bereits zugesagte Teilnahme an der Landesdelegiertenkonferenz des DMB NRW am 21. Oktober in Münster wieder abgesagt. „Bei einer positiven Entscheidung zur LEG hätte er dies wohl kaum getan“, glaubt Mieterschützer von Grünberg. Statt dessen wird der Staatssekretär des Bauministeriums, Günter Koslowski, die unliebsamen Nachfragen der Teilnehmer beantworten. Der Mieterbund ist Teil der Volksinitiative, die sich gegen die Privatisierung der LEG richtet.

Die Hinhaltetaktik sorgt auch bei den Beschäftigten der LEG für Unruhe. Unmittelbar vor dem Kabinettsbeschluss soll es einen „Eckwertsbeschluss“ zur Privatisierung geben, heißt es aus LEG-Kreisen. Bislang aber habe lediglich Bauminister Oliver Wittke (CDU) signalisiert, „nur an Unternehmen verkaufen zu wollen, die an einem langfristigen Engagement interessiert sind und soziale Standards einhalten“.

Vielleicht führen auch die jüngsten Entwicklungen auf dem NRW-Wohnungsmarkt zu einem Umdenken. Die Immobiliengesellschaften Corpus und Morgan Stanley wollen knapp zwei Jahre nach der Übernahme von 48.000 ThyssenKrupp-Wohnungen (mittlerweile Immeo Wohnen), den gesamten Bestand an die französische Fondsgesellschaft Foncière Développement Logements (FDL) verkaufen. „Das ist die übliche Verfahrensweise von Investmentbankern. Ein langfristiges Engagement wird es nicht geben, da die Banken an einer hohen Rendite interessiert sind“, sagt Helmut Lierhaus, Sprecher der Volksinitiative „Sichere Wohnungen und Arbeitsplätze“ im Aktionsbündnis „Zukunft der LEG“. Am Ende seien hunderttausende Mieter von Investmentfonds abhängig.

Corpus und Morgan Stanley bekommen für den Verkauf von Immeo Wohnen 2,1 Milliarden Euro – exakt der Preis, den sie vor zwei Jahren an ThyssenKrupp gezahlt haben. Dabei wurden in dieser Zeit über 8.000 Wohnungen verkauft. Die Rendite soll im dreistelligen Millionenbereich liegen.