Infos gegen rechts gehen vom Netz

Eines der am häufigsten angefragten Internet-Lexika zum Thema Rechtsextremismus gibt auf. Auch die Betreiber ähnlicher Onlinedienste klagen über mangelnden Rückhalt und zeigen sich von Anfeindungen zermürbt

Fast täglich schreiben Anwälte und drohen den Betreibern mit Prozessen

BERLIN taz ■ Die Seite war eine Art Wikipedia über den Rechtsextremismus, doch nun existiert das häufig angefragte Nachschlagewerk nicht mehr. Die Webseite des „Informationsdienstes gegen Rechtsextremismus“ (IDGR) ist vom Netz gegangen.

Die Betreiberin der Seite, Margret Chatwin, gibt ihr unbezahltes Engagement vor allem aus Zeitgründen auf. Seit Jahren habe sie keinen Urlaub und kaum ein freies Wochenende genießen können, sagte Chatwin am Wochenende der taz. Sie hatte den IDGR neben ihrem Vollzeitjob betrieben. Außerdem häuften sich die juristischen Klagen aus rechtsextremen Kreisen. Aufreibend war für Chatwin zudem, dass sie von den Feinden ihrer Seite immer stärker mit „Bestellterror“ überzogen wurde: Die Betreiberin der Website erhielt Zeitschriftenabos und Bücher, die sie gar nicht bestellt hatte.

Zudem wirft Chatwin dem Internetlexikon Wikipedia und anderen Internetseiten vor, Texte von ihr kopiert und den Urheberrechtsschutz nicht ausreichend beachtet zu haben. Dass die IDGR-Gründerin alleine arbeitete, lag nach Aussagen einiger Anti-rechts-Aktivisten angeblich auch an ihrer Persönlichkeit. Es gab interne Streitigkeiten über das Projekt. Öffentlich äußern wollte sich dazu allerdings niemand.

Das Einmalige des IDGR waren die ausführlichen Informationen über Personen der rechtsextremen Szene und deren Verwicklungen untereinander. „Dieses Wissen muss jetzt wieder mühsam erschlossen werden“, sagt David Begrich von der Anti-rechts-Initiative Miteinander e. V. aus Halle. Bedauernd äußerte sich auch Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung. Positiv findet Begrich jedoch, dass Journalisten nach dem Ende der Seite auch wieder bei anderen Quellen rechieren müssten, denn sie hätten sich zu sehr auf den Informationsdienst verlassen.

Das Aus von IDGR macht grundsätzliche Probleme der Arbeit gegen Rechtsextremismus sichbar. „Die Müdigkeit, die sich nach ungezählten Anfeindungen und juristischen Klagen einstellt, kennen wir alle“, sagt David Gall, der Gründer des Internetportals Hagalil. Auch an Hagalil, das 2003 als erstes Medium die antisemitische Rede des CDU-Abgeordneten Martin Hohmann veröffentlichte, schreiben laut Gall fast täglich Anwälte. „Irgendwann zermübt das.“

Zudem können Internetseiten gegen Rechtsextremismus ihren Schreibern kein Geld zahlen und sie daher oft schwer zu Pünktlichkeit und Genauigkeit anhalten, sagt Albrecht Kolthoff von der Webseite redok. Für dieses neue Projekt arbeiten viele ehemalige Mitarbeiter des IDGR, Kolthoff ist einer von ihnen. Als spezielles Problem des nunmehr abgeschalteten Informationsdienstes sieht er dessen Anspruch, ein gültiges Lexikon zu sein. „Gerade eine personenbezogene Seite muss immer peinlich genau aktualisiert werden, weil sonst Klagen drohen“, sagt Kolthoff. „Das ist aufwändig und personalintensiv.“ Stattdessen wollen Kolthoff und seine Mitstreiter bei redok vorrangig ein aktuelles Nachrichtenmedium machen.

Rechtsextreme Webmedien wie Altermedia feiern unterdessen das Aus für die „jüdische Denunzierungsseite“ und die verhasste „Tante Margret“. Demnächst könnten sie einen weiteren Grund zur Freude haben, denn auch das Internetportal Hagalil läuft nur noch auf Notbetrieb und muss laut Herausgeber David Gall aus Geldmangel demnächst vielleicht dichtmachen.DANIEL SCHULZ