Bluff mit roten Sternen

Weil der Markt dank ausländischer Sammler boomt, veranstaltet Peking zum zweiten Mal in diesem Jahr eine Kunstmesse. Das einheimische Publikum investiert sein Geld jedoch lieber in Antiquitäten

von SUSANNE MESSMER

Der chinesische Kunstmarkt ist zurzeit einer der schnellsten und der heißesten der Welt. Immer mehr Galerien und Auktionshäuser eröffnen in Peking und Schanghai, immer öfter gehen Rekordpreise für Werke zeitgenössischer chinesischer Maler bei Versteigerungen westlicher Auktionshäuser durch die Presse. Es ist von Preiszuwächsen bis zu 37 Prozent jährlich die Rede. Die Erwartungen, die sich dementsprechend an die ArtBeijing knüpfen, an die zweite Pekinger Kunstmesse in diesem Jahr, sind also mächtig.

Bei einem ersten Gang durch das Pekinger Agricultural Exhibiton Center, das von innen an den sozialistischen Kitsch der Berliner Karl-Marx-Allee erinnert und von außen an die chinesischen Dächer der Pekinger Tempel, stellt sich ziemlich schnell Ernüchterung ein: Die Hallen sind fast leer, viele Galeristen machen lange Gesichter oder haben den Kopf gleich auf den Schreibtisch gelegt. Obwohl Ferien sind in China und die luxuriösen Einkaufstempel der Stadt vor fröhlichen Konsumenten fast überschäumen, sieht man hier kaum Laufpublikum – aber auch keine bekannten Künstler und niemanden, der so aussieht, wie man sich einen chinesischen Investor vorstellt.

Obwohl die erste ArtBeijing mit 82 Galerien aus 12 Ländern fast ebenso vielen Teilnehmern ein Dach gibt wie die dritte Chinese International Gallery Exposition (CIGE) in diesem Frühjahr, entpuppt sich als Bluff, was auf den ersten Blick so international wirkt. Gezeigt wird fast nur Kunst aus China, und die weitgereisten Galeristen beschweren sich, dass sie auch diese kaum verkaufen – Volker Diehl aus Berlin zum Beispiel hat nur ein einziges Werk von Zhang Huan abgesetzt, „und diesen Kauf habe ich schon von zu Hause aus vorbereitet“, sagt er. Die angeblich so kaufkräftigen Chinesen bleiben aus, stattdessen waren nur wenige Privatsammler aus Amerika, Europa und Australien der Meinung, dass Peking zwei Kunstmessen jährlich verträgt, und sind trotzdem angereist.

Noch immer hat die aktuelle Kunst aus China weitgehend im Ausland ihren Markt; vermögende chinesische Sammler konzentrierten sich, wie man auf der Messe hört, nach wie vor darauf, die Wände ihrer Wohnungen mit Blattgold zu verkleiden oder Stühle aus der Ming-Ära zu erstehen. Es gibt, heißt es, in ganz China zehn oder fünfzehn ernsthafte Sammler, die anderen sind als „Investmentheinis“ verschrien, die nur schnelles Geld machen wollen. Staatliche Galerien oder Museen sammeln noch immer keine Werke zeitgenössischer chinesischer Künstler.

Schlendert man ein wenig weiter durch die Hallen der ArtBeijing, dann beschleicht einen fast das Gefühl, es wäre gar nicht so schlecht, wenn der chinesische Kunstmarkt bald etwas abkühlen würde. Denn hier scheint derzeit manches aus den Fugen geraten. Es gibt kaum Fotografie, Skulptur oder gar Videoarbeiten auf der ArtBeijing zu sehen, stattdessen viel Malerei, und zwar vor allem solche, die sich auf die Erwartungshaltungen des Westens eingeschwungen hat. Man sieht viel Establishment, das seinen „Politischen Pop“ und „Zynischen Realismus“ seit den Neunzigerjahren erfolgreich reproduziert: Bunte Bilder voller Coladosen und roter Sterne.

Nur selten entdeckt man etwas Neues. Zum Beispiel bei den westlichen Betreibern der alteingesessenen Pekinger Galerien, in den Kojen der White Space Beijing von Alexander Ochs oder der Red Gate Gallery von Brian Wallace, die einmal mehr mit guten Verkäufen und blendender Laune glänzen. Ansonsten: Überall und immer wieder die bekannten lachverzerrten Männergesichter des Yue Minjun und die Agitprop-Plakate von Wang Guanying. Und dann ihre kunstfertigen Kopisten: Wer soll all das kaufen, diese vielen Maos in Öl, in Tusche, aus Porzellan, die geklonten Polizisten und Rotgardisten, die unvermeidlichen Pandabären? Ist vielleicht wirklich etwas dran an den Gruselgeschichten, die man sich auf der Messe über chinesische Künstler erzählt?

Da heißt es zum Beispiel, manche erfolgreiche Künstler hätten sich jüngere als Assistenten in die Ateliers geholt, um den Markt immer weiter überschwemmen zu können. Von anderen hört man, dass sie Verträge mit westlichen Geldgebern unterschrieben haben, nach denen sie vier Jahre lang vierundzwanzig Bilder jährlich abzuliefern haben – jedes zwei mal zwei Meter groß.

Geschichten wie diese sind für das Ansehen der chinesischen Kunst nicht gerade förderlich. Und sie machen verständlich, dass sich Pioniere wie Brian Wallace von der Red Gate Gallery über die Gerüchte eines bevorstehenden Markteinbruchs zu freuen scheinen. Fast lächelt er, als er von der letzten Auktion bei Sothebys in New York erzählt. Anders als noch vor einem halben Jahr ist dort nämlich vor kurzem zum ersten Mal die zeitgenössische chinesische Kunst reihenweise durchgefallen.