Neue Horizonte in Sicht

Die weltweit besten Filmemacherinnen stellen fünf Tage lang ihre aktuellen Arbeiten vor. Beim neuen Internationalen Frauenfilmfestival Dortmund/Köln sind nicht nur die Preisgelder erhöht worden

VON PETER ORTMANN

Eigentlich ist das Internationale Frauenfilmfestival in Dortmund und Köln so nötig wie Senf auf einer Torte. Allein seine Existenz ist im Grunde schon Anachronismus. Das Festival subsumiert Kunst unter die Prämisse einer Geschlechtszuhörigkeit. Doch wie in anderen Künsten auch, ist beim Genre Film die Arbeit von Frauen nach wie vor unterrepräsentiert. „Dafür räumen die Regisseurinnen proportional umgekehrt viele Preise ab,“ sagt die Kölner Festivalleiterin Beate Preisler. Deshalb gäbe es das Festival. Und weil eine Veränderung des Frauenanteils im Filmgeschäft nicht in Sicht ist, bleibt ein gemeinsames Frauenfilmfestival in NRW erhalten.

Das war bis August diesen Jahres noch anders. Bis dahin existierten zwei Festivals nebeneinander, die „Feminale“ in Köln und „femme totale“ in Dortmund. Die Landesregierung hat sie zwar zwangsverheiratet, die Standorte aber belassen, auch um die örtlichen Sponsoren, die hohe Preisgelder stiften, nicht zu verprellen. „Durch das Zusammengehen ermöglichen wir beiden Festivals mehr Stabilität und erhoffen uns einen Schub an neuen Ideen,“ erklärte Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff. So schwingt das neue Internationale Frauenfilmfestival zwischen Rhein und Ruhr im jährlichen Wechsel hin und her, mit neuer Geschäftsführung und dem Zwang sich inhaltlich zusammenzuraufen. „Das Team wächst zusammen“, sagt Pressereferentin Stefanie Görtz. Man habe die Qualitäten beider Festivals zusammengebracht und sinnlose Grabenkämpfe beendet. Ein neuer Verein wurde dafür gegründet. Köln benötigte mit Beate Preisler allerdings auch eine neue Chefin. Dafür zeichnet Silke J. Räbiger, die künstlerische Leiterin in Dortmund, in diesem Jahr bereits für die Workshops verantwortlich, obwohl die Vorbereitungen fürs nächste Festival im April an der Ruhr bereits laufen.

Heute geht es aber erst einmal im Kölner Metropolis Kino los. Zur Eröffnung des Festivals ist der zum internationalen Debüt-Wettbewerb eingereichte indische Film Amu (2005) von Shonali Bose zu sehen. Erstmals gibt es 10.000 Euro Preisgeld für den besten Debüt-Spielfilm (vorher 2.500 Euro). Im Wettbewerb sind noch sieben weitere Filme. Der Film von Bose erzählt die Geschichte der Waisen Kaju, die von indischen Emigranten als Dreijährige adoptiert wurde und in Los Angeles aufgewachsen ist. Die Regisseurin Shonali Bose war 19 Jahre alt und Studentin in New Delhi, als Premierministerin Indira Ghandi am 31.Oktober 1984 von ihren Leibwächtern, Sikhs, ermordet wurde. In den darauf folgenden Tagen und Nächten wurden tausende von Sikhs umgebracht. Shonali Bose arbeitete für Hilfseinrichtungen, die für die Opfer organisiert wurden. Die Wut und die Trauer der Betroffenen sowie zwei Jahre später der Tod ihrer Mutter ließen das Bedürfnis entstehen, ihre Gefühle in Form eines Films auszudrücken – ein Tabuthema in Indien. Nicht nur die Dreharbeiten, sondern auch der fertige Film wurden von offizieller Seite blockiert. Die indische Zensurbehörde strich Textstellen, die die Mitschuld von Politikern und Polizeibeamten thematisierten. Die Altersbeschränkung wurde auf 18 Jahre festgesetzt, um damit den Zugang zu limitieren. Der Film hatte im Dezember 2004 auf dem Internationalen Filmfestival in Kerala Premiere.

Das Neueste aus der internationalen Lesben- und Transgender-Szene ist in Querblick vertreten. Jan Dunns preisgekrönter Debüt-Film Gypo (GB 2005) erzählt seine Geschichte aus mehreren Perspektiven. Es geht um den Zerfall einer ganz normalen Familie, um die Auswirkungen von Armut, Rassismus, Migration auf die einzelnen Persönlichkeiten – und um eine verbotene lesbische Beziehung. Der Fokus Iran vermittelt in Filmen, Diskussionen und Lesungen einen Eindruck über das Land, die Situation und Lebensräume iranischer Frauen. Das Highlight: Die iranische Starregisseurin Tahmineh Milani wird in Köln als Jurymitglied zu Gast sein und präsentiert ihren neuesten Film Cease Fire (Iran, 2006), der die moderne iranische Ehe humorvoll auf den Prüfstand stellt und im Kontrast zu ihren zahlreichen feministischen Melodramen steht. Das trifft den Nerv der iranischen Gesellschaft. Der Film brach alle Box-Office-Rekorde der letzten fünf Jahre und lief über 80 Tage in Teheraner Kinos.

Das Gesamtprogramm umfasst ganze 120 Filme aus 32 Ländern in allen Genres. Die geben einen Einblick in fremde Welten und unterschiedliche Lebensformen und das ist natürlich nicht nur etwas für Frauen.

Internationales FrauenfilmfestivalKöln, 11. bis 15. Oktober 2006Infos: 0221-1300225