Kongos Krieger sind krisenfest

Mitten in der kritischen Wahlperiode wurde im Kongo die Demobilisierung von Bürgerkriegskämpfern eingestellt. Laut amnesty sind auch Kindersoldaten betroffen

BERLIN taz ■ Während die internationale Gemeinschaft sich um einen friedlichen Ablauf der entscheidenden Stichwahl um die Präsidentschaft der Demokratischen Republik Kongo am 29. Oktober sorgt, kümmert sie sich nicht darum, die noch immer zahlreichen bewaffneten Kräfte des Landes aus dem Verkehr zu ziehen. Stattdessen werden die bestehenden Demobilisierungsprogramme zurückgefahren. Diese Vorwürfe erhebt die Menschenrechtsorganisation amnesty international in einem heute veröffentlichten Bericht über „Kinder im Krieg“ im Kongo.

Als der Kongokrieg 2003 offiziell zu Ende ging, zählte das Land nach Schätzung des Weltbank-Demobilisierungsprogramms MDRP 150.000 bewaffnete Kämpfer, nach Regierungsangaben 300.000. Eine staatliche Demobilisierungskommission „Conader“ sollte diejenigen Kämpfer aussortieren, die nicht in die neue kongolesische Armee FARDC eingegliedert werden sollten – diese zählt heute 13 Brigaden von jeweils rund 3.000 Soldaten. Doch bis Ende Juni 2006, so amnesty, wurden nur 91.791 Bürgerkriegskämpfer demobilisiert, davon 19.054 Kinder und 72.737 Erwachsene. Am 7. Juli habe Conader die Demobilisierung eingestellt, um sich auf die Reintegration der bereits Demobilisierten zu konzentrieren. Alle 18 Demobilisierungszentren des Kongo wurden ab 31. Juli – dem Tag nach der ersten Runde der Wahlen – geschlossen. Lediglich „mobile“ Conader-Teams sind noch im Land unterwegs.

Ausgerechnet in der kritischen Zeit zwischen den beiden Wahlgängen gab also die internationale Gemeinschaft ihre Anstrengungen auf, Kongos Bürgerkriegsarmeen aufzulösen. Einige Einheiten früherer Bürgerkriegsarmeen stehen immer noch in Form intakter Bataillone, Rebellengruppen oder Milizen in den einstigen ostkongolesischen Kriegsgebieten. Andere sind Teil der Präsidialgarde oder der privaten Garden hoher Politiker geworden, die sich erst im August in der Hauptstadt Kinshasa schwere Kämpfe lieferten. Die Option einer systematischen Demobilisierung besteht für sie derzeit nicht.

Laut amnesty international waren zu Kriegszeiten rund 30.000 der Bürgerkriegskämpfer des Kongo Kinder. Nach der Demobilisierung von rund 19.000 seien nun noch 11.000 übrig. „Viele sind noch bei bewaffneten Gruppen“, so der Bericht. „Eine Anzahl dieser Gruppen rekrutiert weiterhin Kinder. Andere Kinder wurden von ihren Einheiten zurückgelassen, als die sich in die Armee eingliederten. Manche Kinder entkamen und machten sich selbständig auf den Weg nach Hause. (…) Bis jetzt gibt es keine Erhebungen über die Anzahl der Kinder, die aus der Demobilisierung ausgeschlossen wurden, und kein systematisches Programm, um diese Kinder zu identifizieren und ihnen zu helfen.“

Besonders betroffen seien Mädchen, die anders als Jungen meist nicht als reguläre Regierungssoldaten in Betracht kämen. Die Mädchen würden oft nicht einmal in die Demobilisierung geschickt. Sie würden von Milizionären und Soldaten als Kriegsbeute behandelt und zwangsweise in deren Familien aufgenommen, dem sexuellen Missbrauch ausgeliefert. In der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu kamen laut amnesty im Jahr 2005 2.568 Kinder über die Demobilisierung zu ihren richtigen Familien zurück – nur 46 davon waren Mädchen. Dabei waren 40 Prozent der Kindersoldaten im Kongo während des Krieges weiblich.

Regierung, UNO und Weltbank müssten jetzt langfristige Pläne für den Abschluss der Demobilisierung im Kongo und eine funktionierende Wiedereingliederung ehemaliger Kindersoldaten entwickeln, fordert die Menschenrechtsorganisation. „Solange die Regierung und die internationale Gemeinschaft die Bedürfnisse von Kindern nicht angehen, bleibt für entlassene Kindersoldaten das Risiko der Neuanwerbung in Armee oder bewaffnete Gruppen, oder sie werden einer verarmten oder verlorenen Existenz überlassen.“

DOMINIC JOHNSON