Plutonium für drei Sprengköpfe

Schon in den 80er-Jahren stellte Nordkorea die Weichen für sein Atomwaffenprogramm. Mit Hilfe der Wiederaufarbeitung von Brennstäben wurde der Bombenstoff extrahiert

BERLIN taz ■ Die Entwicklung der nordkoreanischen Atombombe zog sich über Jahrzehnte hin. Sie begann 1965 mit dem Bau eines kleinen Forschungsreaktors sowjetischer Bauart und endete mit dem Atomtest vor zwei Tagen. Dazwischen liegen 41 Jahre, in denen das Land wiederholt mit dem Bau von Atomwaffen drohte und zugleich die technischen Voraussetzungen schuf.

Dabei hatten die Nordkoreaner ein Gespür für gute Inszenierungen. Im Januar 2004 luden sie eine „inoffizielle“ Delegation amerikanischer Wissenschaftler ins Kernforschungszentrum Jongbjon ein. Nach langer Besichtigungstour wurde den Gästen demonstrativ jener Stoff unter die Nase gehalten, aus dem die Bombe gebaut wird: Plutonium. Der US-Atomwissenschaftler Siegfried Hecker beschrieb die Szene: „In einen Konferenzraum wurde eine Metallkassette gebracht. Sie enthielt eine hölzerne Box. In der Box befanden sich ein Glasbehälter mit 150 Gramm Plutoniumoxalat-Pulver und ein zweiter Glasbehälter mit 200 Gramm Plutoniummetall. Die Glasbehälter waren mit Metalldeckeln verschlossen und transparentem Band umwickelt.“ In einem grünen Farbton habe das Plutoniumpulver geleuchtet, berichtete Hecker. Das für militärische Zwecke nutzbare Plutoniummetall habe in „Trichterform“ in dem Behälter gelegen. Die US-Atomwissenschaftler zweifelten nicht an der Echtheit des Bombenstoffs.

Die Internationale Atomenergie-Agentur (IAEA), die als Überwachungsbehörde die zivilen Atomanlagen weltweit kontrolliert, nennt die 80er-Jahre das Jahrzehnt, in dem Nordkorea sein Atomwaffenprogramm entscheidend voranbrachte. Damals habe Pjöngjang mit der Herstellung eigener Brennelemente begonnen. Vor allem aber wurde eine Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannten Kernbrennstoff aufgebaut. In dieser Anlage wurden größere Mengen Plutonium gewonnen. Die Brennelemente wurden einem zweiten Fünf-Megawatt-Forschungsreaktor entnommen, der Mitte der 70er-Jahre mit russischer Hilfe gebaut worden war. Nach IAEA-Schätzungen hat der Forschungsreaktor zwischen 1987 und 1991 etwa 23 Kilogramm Plutonium „produziert“. Diese Menge, so die IAEA, sei „ausreichend für drei atomare Sprengköpfe“.

Die Geheimdienste Japans, Russlands und der USA haben unterschiedliche Zahlen zu den Plutoniumvorräten Nordkoreas ermittelt. Die USA waren von „nur“ zwölf Kilogramm ausgegangen, Japan vermutete die doppelte Menge. Schon 1985 hatte die US-Regierung von CIA-Informationen über ein geheimes Atomwaffenprogramm Nordkoreas berichtet. Im Jahr 1997 bestätigte das Pentagon, Nordkorea habe genügend Plutonium, „um mindestens eine Atombombe“ zu bauen. Es war das erste Mal, dass Washington die Existenz von waffentauglichem Plutonium in den Händen des nordkoreanischen Regimes bestätigte.

MANFRED KRIENER