Das Ende des Sonnenscheins

In Südkorea herrscht Enttäuschung über das Gebaren Nordkoreas. Die Regierung entschuldigt sich für den Misserfolg ihrer Politik der Annäherung an den Norden

PEKING taz ■ Der Atomtest in Nordkorea hat im Süden der geteilten Halbinsel nicht nur Angst, sondern auch Zorn und Enttäuschung ausgelöst. An einigen Stellen der Hauptstadt demonstrierten Menschen gegen das Regime in Pjöngjang. An der Seouler Börse sackten die Aktienkurse deutlich ab.

Präsident Roh Moo Hyun kündigte „strenge Schritte“ gegenüber Nordkorea an, ohne konkret zu werden. Militäraktionen gegen den Norden schloss seine Regierung aus. Roh, der bislang Befürworter der „Sonnenscheinpolitik“, einer geduldigen und großzügigen Haltung gegenüber dem Regime Kim Jong Ils, war, gab gestern zu, vor einem Scherbenhaufen zu stehen: Für die Regierung werde es nun „sehr schwierig sein, an der Politik der Annäherung an Nordkorea festzuhalten“, erklärte er. „Möglicherweise werden wir nicht mehr so geduldig sein und den Forderungen Nordkoreas nachgeben“, sagte Roh weiter. Konkrete Beispiele nannte er nicht.

Damit reagierte Roh auf Kritiker in der Opposition und in den Medien, die ihm „Schwäche“ vorwarfen. In der Seouler Joong-Ang-Zeitung etwa hieß es: „Seine Unfähigkeit und Arroganz hat Nordkorea erlaubt, sich atomar zu bewaffnen.“

Unter der von seinem Vorgänger Kim Dae Jung begonnenen „Sonnenscheinpolitik“ hatte die Regierung seit Ende der Neunzigerjahre Hilfslieferungen und Gelder in Milliardenhöhe in den Norden gepumpt – immer mit der Hoffnung, das Regime zu allmählicher Öffnung zu bewegen.

Millionen Südkoreaner besuchten seither den Berg Kumgang auf der anderen Seite der Grenze. In der Wirtschaftsenklave Kaesong errichteten südkoreanische Unternehmen Fabriken.

Südkoreas Wiedervereinigungsminister Lee Jong Seok bat das Parlament, wie von ihm gefordert, um Entschuldigung für das Versagen seiner Regierung: „Wir haben uns sehr bemüht, das nordkoreanische Atomproblem zu lösen, aber ich bitte die Öffentlichkeit um Verzeihung, dass dies geschehen ist.“

Die Sonnenscheinpolitik fand vor allem bei jungen Südkoreanern Beifall, die den Koreakrieg (1950–53) nicht miterlebt haben. Viele gaben nicht dem Kim-Regime die Hauptschuld an der Teilung des Landes, sondern den USA, die über 30.000 Soldaten in Südkorea stationiert haben.

Verteidigungsminister Joon Kwang Ung rief gestern die 50 Top-Kommandeure des Landes zu einer Sondersitzung zusammen. Die Einsatzbereitschaft der Armee soll erhöht werden. An der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea sowie an den Küsten patrouillierten mehr Soldaten als sonst. Gestern hatte Nordkorea laut der südkoreanischen Agentur Jonhap mit dem Abschuss einer atomar bestückten Rakete gedroht. Zu einem solchen „bedauerlichen Vorfall“ könne es kommen, wenn die USA ihre harte Haltung nicht aufgäben, zitierte Jonhap einen Regierungsvertreter Nordkoreas.

JUTTA LIETSCH