Ringen um jede Einstellung

Streiten, zusammenarbeiten, radikal sein, nach der Perfektion suchen: Die Filmemacherin Danièle Huillet – in Kunst und Leben Gefährtin Jean-Marie Straubs – ist im Alter von 70 Jahren gestorben

von ANNETT BUSCH

„Der hat zu viel vor, der schafft das nicht allein.“ Danièle Huillet hatte eine Entscheidung getroffen, Filme zu machen zusammen mit Jean-Marie Straub. Das war Mitte der 50er-Jahre an der Filmhochschule in Paris, da lernten sie sich kennen. Seitdem haben sie nicht aufgehört. Zwischen „Machorka-Muff“ (1962) und „Quei loro incontri“ (2006) liegen 20 weitere Filme. Im Weitermachen liegen ihre Radikalität und Aktualität und im Kollaborieren ihre Einzigartigkeit.

Dabei hatten sie selbstverständlich Gefährten – Anna Magdalena Bach, Pavese, Kafka, Cezanne, Hölderlin, Schönberg, Vittorini, Marx. Die Entscheidung für Straub war auch eine Entscheidung gegen das Mittelmaß und für ein Spannungsverhältnis. Die feministische Filmtheorie hat sich für diese Form von Feminismus nie so recht interessiert. Warum sie nicht ihre „eigenen“ Filme mache, hing als unausgesprochener Vorwurf oft in der Luft. Danièle Huillet wollte sich in das Bild von Emanzipation nie so recht einfügen. Es ging um ein anderes Potenzial: die eigenen Filme waren die gemeinsamen.

„Hier“ – nein – „hier“. Wir blicken auf zwei Monitore, „Sicilia!“ sucht nach der perfekten Form. Straub läuft auf und ab und spricht, wie er so oft spricht, zornig; unterdessen bedient Huillet die Maschine. Straub/Huillet in Aktion, den beiden bei der Arbeit zuzusehen, ist ein Geschenk. „Wo liegt euer Lächeln begraben“, heißt der Film des portugiesischen Regisseurs Pedro Costa über das Paar und dessen Arbeit. Costa hat die Kamera im Schneideraum positioniert, im Rücken von Danièle Huillet. Die Filmemacherin spult vor und zurück – Jean-Marie und Danièle disputieren mit Emphase über Frames, der Unterschied ist aus dem Zuschauerraum fast nicht zu sehen.

Es ist ein exemplarischer Streit. Streiten über etwas, was für andere nicht sichtbar oder hörbar ist, wertschätzen, was für andere wertlos erscheint. Das mag die Regung eines Schauspielers sein, die Resonanz in der Stimme, eine Zeile in „Antigone“. In den Filmen allerdings materialisiert sich genau diese Aufmerksamkeit als Suspense, Ethik, Liebe.

„Der Straub ist besser mit dem Reden, der soll das mal machen.“ Danièle Huillet sagt so einen Satz mit charmanter Souveränität. Das ist kein Rückzug, sondern Wissen um die eigene Position; ein Augenzwinkern. Man muss sich Danièle Huillet und Jean-Marie Straub als humorvolle Menschen vorstellen. Womöglich mag man das übersehen – bei der Ernsthaftigkeit, mit der sie sich dem Leben nähern. Beide haben sie diesen unverwechselbaren Tonfall, wenn sie Deutsch oder Französisch oder Italienisch sprechen, darin liegt nicht einfach Ironie, sondern ein spezifischer Witz, der mit Klugheit zu tun hat. Undenkbar, über Danièle Huillet in einer Vergangenheitsform zu sprechen.

„Der schafft das nicht allein.“ Ein Nachruf auf Danièle Huillet sei wie ein Nachruf auch auf den Straub. Ist es selbstverständlich nicht. Aber wer wird sich um die Hunde und Katzen kümmern? Jean-Marie ist undenkbar ohne Danièle und ihre Abwesenheit unvorstellbar. Um ihrer Gegenwärtigkeit müssen wir uns nun kümmern.