Nichts zu essen? Das wird gemessen

Deutsche Welthungerhilfe präsentiert „Welt-Hunger-Index“, um die Ernährungslage in den Entwicklungsländern besser vergleichen zu können. Die Problemzonen haben sich von Asien und der Sahelzone in die Konfliktgebiete Afrikas verlagert

von DOMINIC JOHNSON

Damit Hunger auf der Welt effektiver bekämpft werden kann, muss die Datengrundlage verbessert werden. Diesen Ansatz betonte gestern die Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) bei der Präsentation eines neuen „Welthunger-Index“ in Berlin. Der Index wurde ursprünglich vom renommierten „Internationalen Forschungsinstitut für Ernährungspolitik“ (IFPRI) in Washington entwickelte. Später entstand daraus das Länderranking. Es soll helfen, „den politischen Willen der Länder zu stärken, in positiver Konkurrenz zueinander den Hunger zu bekämpfen“, sagte IFPRI-Direktor Joachim Braun.

Der Index setzt sich aus drei Indikatoren zusammen: Anteil der Unterernährten in der Gesamtbevölkerung; Anteil der Kinder unter fünf Jahre mit Untergewicht; Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren. „Die breitere konzeptionelle Basis spiegelt die vielschichtigen Ursachen und Erscheinungsformen von Hunger besser wider“, so die DWHH in ihrer gestern veröffentlichten Studie zum Index. Bei den gängigen UN-Maßstäben für Hunger beispielsweise der UN-Agrarorganisation FAO wird bisher einfach der Anteil der Unterernährten insgesamt gemessen, meist auf der Grundlage von Haushaltserhebungen. Damit werden aber nicht mögliche Benachteiligungen innerhalb der Familien berücksichtigt. Auch ein Massenverhungern von Kindern wirkt sich eher paradox aus, da dadurch weniger lebende Hungernde übrig bleiben.

Der Index addiert die drei ermittelten Prozentzahlen zu diesen Indikatoren und teilt diese dann wiederum durch drei, um einen einzigen Wert zu ermitteln. Kalkuliert wird er auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2003, weil das meist die aktuellsten verfügbaren sind. So war in Sierra Leone im Jahr 2003 die Hälfte der Bevölkerung unterernährt, 27 Prozent der Kleinkinder untergewichtig, und 28,4 Prozent der Kinder starben vor dem fünften Geburtstag. Daraus ergibt sich ein Hungerindex von 35,2. Sierra Leone liegt damit an fünftletzter Stelle der 119 einbezogenen Länder – alle Staaten der Welt außer den westlichen Industrienationen. Die zehn letztplatzierten Länder liegen in Afrika, davor folgen Kambodscha und Tadschikistan. Bestplatziert sind Weißrussland, Argentinien, Chile und die Ukraine. Europäisches Schlusslicht auf Platz 39 ist Albanien mit einem Wert von 7,23, hinter Algerien und Marokko und vor Kolumbien.

Die DWHH hat den Index rückwirkend auch für die Jahre 1997, 1992 und 1981 ermittelt, wobei die nötigen Daten nicht vollständig vorliegen. Vor 25 Jahren lagen demnach die Schlusslichter fast ausschließlich in Asien sowie Teilen Afrikas; sie alle sind seitdem aus dieser Zone aufgestiegen. Die größte Verbesserung, mit einem Rückgang des Index von 35,87 auf 14,87, verzeichnet Ghana, die größte Verschlechterung das aktuelle Schlusslicht Burundi, wo der Index heute 42,70 beträgt und 1981 noch bei 27,73 lag – besser als damals Indonesien, das heute mit einem Wert von 12,57 auf Platz 59 aufgestiegen ist.

„Politische Maßnahmen wie Landwirtschaftsförderung und Investitionen in Gesundheitsvorsorge, Bildung und soziale Sicherungssysteme verbessern die Ernährungslage“, bilanziert die Welthungerhilfe. „Schlechte Regierungsführung, zunehmende soziale Ungleichheit, die Einschränkung der Rechte von Frauen, eine zunehmende Verbreitung von Aids, hohe Militärausgaben und die Beteiligung an gewaltsamen Konflikten hingegen haben äußerst negative Auswirkungen auf den Indexwert.“