Antifa-Happening im Wasserstrahl

2.000 Demonstranten stellen sich in Hamburg 200 Neonazis entgegen: Zunächst große Demo in der City, danach trotz Wasserwerfer-Einsätzen stundenlange Blockaden der Route der Rechten. Diese müssen ihren Marsch vorzeitig abbrechen

VON PETER MÜLLER
UND ANDREAS SPEIT

Ausnahmezustand im Hamburger Osten: Mehr als 2.000 Antifaschisten – darunter viele SchülerInnen und StudentInnen – haben sich am Sonnabend im Stadtteil Wandsbek vier Stunden lang rund 200 Neonazis entgegengestellt. Deren Umzug für „Nationale Arbeitsplätze statt internationale Profite“ hatte offiziell die NPD angemeldet. Insgesamt 1.900 Polizisten aus Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern und eine Armada von Wasserwerfern waren nötig, um Blockaden von Gegendemonstranten zu beseitigen und den Neonazis den Weg zu bahnen. Mit mäßigem Erfolg: Den Marsch der Rechten musste die Polizei schließlich abkürzen.

Begonnen hatte der Protesttag am Morgen mit einer Gegendemonstration in der Innenstadt, wo auch die NPD ursprünglich hatte aufmarschieren wollen. Rund 2.000 Teilnehmer fanden sich zu einer Kundgebung ein, die von einem breiten Bündnis – von Antifa-Gruppen über Linkspartei, Grüne bis hin zum DGB – organisiert worden war. Das „immer frechere Auftreten der Neonazis“, sagte Wolfgang Rose, Hamburger Landeschef der Gewerkschaft ver.di, sei auch eine Antwort „auf die Politik des Sozialabbaus und der Umverteilung von unten nach oben“. Der Einsatz von „Sozialpolizisten“ gegen Hartz IV-Empfänger und die immer „weiter wachsende soziale Spaltung in der Stadt der meisten Millionäre und der meisten Sozialhilfeempfänger“ treibe auch in Hamburg Menschen „in die Arme von rechten Rattenfängern“, so Rose.

Äußerst zügig und bei ungewöhnlich zurückhaltender Polizeibegleitung zog der Demonstrationszug dann durch die Flaniermeilen der City, die für linke Demos zuletzt stets Tabu waren. Sogar die Bannmeile um das Rathaus war für den Antifa-Protest freigegeben worden. Das Rathaus stand zeitweise ungeschützt da, weil eine ortsunkundige Polizei-Hundertschaft aus Mecklenburg erst verspätet ihren Einsatzort erreicht hatte.

Die Eile der Demonstrierenden hatte ihren Grund: Der Neonazi-Aufmarsch war Tage zuvor von der Polizei aus der Innenstadt in den Stadtteil Wandsbek verlegt worden – und den wollten die Protestierenden pünktlich erreichen. Was die Neonazis nicht schafften: Viele Rechte hatten wegen der Proteste Schwierigkeiten, an den Auftaktort für den Marsch von NPD und Freien Kameradschaften (FK) zu gelangen. Zur Verwirrung auf Seiten der Ordnungskräfte trug bei, dass manche der pünktlich angekommenen Glatzköpfe gar keine Neonazis waren, sondern „Redskins“: „Wir sind Skinheads, was seid ihr?“, skandierten rund 30 Skinheads und hielten Transparente hoch: „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“. Die getäuschte Polizei bemühte sich gleichwohl eiligst, die Gruppe abzudrängen. „Wir dachten das wären Rechte“, erklärte ein Polizeisprecher.

Immer wieder gelangten Antifa-Demonstranten in die Nähe der Neonazis. „Haut ab!“-Rufe begleiteten den von Hamburgs NPD-Chefin Anja Zysk angeführten Marsch. Nur im engen Polizeispalier konnten die Kameraden durch die Straßen ziehen. An einem Einkaufszentrum schafften es die Beamten dann kaum noch, die Neonazis zu schützen. Vor dem Haus des örtlichen SPD-Kreisverbandes, an dem „Nazis raus“-Transparente hingen, versuchten die Rechten eine Kundgebung abzuhalten. Umstehende antworteten mit Obst und Gemüse. Trillerpfeifen und Zwischenrufe übertönten die Rede des niedersächsischen NPD-Vizes Adolf Dammann über eine „Volksgemeinschaft“ von Deutschen für Deutsche. Auch FK-Kader Thomas Wulff ging mit seinen Tiraden wider „Multikulti-Wahn“ und „Globalisierungsterror“ unter. „Wir wollen den Schwung des Wahlerfolgs in Mecklenburg-Vorpommern nach Hamburg tragen“, mühte sich der jüngst zum NPD-Bundessekretär avancierte Wulff.

Kraftvoll verlief dieser Umzug indes nicht. Immer wieder stellten sich Demonstranten den Marschierenden entgegen. Vereinzelt brannten im Weg platzierte Müllbehälter. Wiederholt musste die Polizei Protestierende von der Marschroute drängen, 28 Personen wurden festgenommen. Mitunter kam es zu regelrechten Protest-Happenings: Übermütig stellten sich junge Antifas den Wasserwerfern entgegen, die aus allen Rohren in die Menge schossen. Als die fünf Gefährte an einer Stelle aufgetankt werden mussten, bildeten die Protestierenden davor eine Polonaise und tanzten auf der Straße.

„Ha, Ha, Antifa!“, grölten die offensichtlich genervten Rechten. Zu ihrer geplanten Abschlusskundgebung kam es nicht: Die Polizei verfügte eine Änderung eine Änderung der Marschroute: Vorzeitig musste die NPD ihren Umzug beenden.