Rechte schocken mit Kleinkram

In der ersten Sitzung des gerade neu gewählten Landtags von Mecklenburg-Vorpommern wollen die Demokraten die NPD entzaubern. Die Partei überrascht mit einer Flut detailverliebter Anträge

AUS SCHWERIN ASTRID GEISLER
UND ANDREAS SPEIT

Die sechs neuen Kollegen ganz rechts außen im Plenarsaal verlangen selbst den Druckern im Schweriner Schloss einiges ab. Die konstituierende Sitzung des neu gewählten Landesparlaments ist noch nicht eröffnet, da liegen schon fünf parlamentarische Drucksachen der NPD-Fraktion auf den Tischen im Plenum. Es wird nur eine Kostprobe sein. Zwei Stunden später haben die 65 Abgeordneten von SPD, CDU, FDP und PDS schon mehr als 15 Änderungsanträge der Rechtsextremen allein zur Geschäftsordnung abstimmen dürfen.

Die ungeliebten Neulinge haben sich eifrig vorbereitet. Mit detailverliebten Anträgen und der Forderung nach zusätzlichen Abstimmungen beschäftigen sie die Kollegen bei der ersten Sitzung nach der Wahl am 17. September. Jener Sitzung, in der sich die Demokraten eigentlich elegant mit starken Worten von den Neuen distanzieren wollten.

Nun ist stattdessen praktische Arbeit gefragt. Antrag für Antrag bügeln die Demokraten die Vorschläge der Kollegen am rechten Rand des Saals ab. Einstimmig, ohne Enthaltungen. Sollte die NPD auf Ausreißer zu ihren Gunsten gehofft haben, so hat sie sich getäuscht. Doch die Abstimmungserfolge täuschen Routine im Umgang mit der NPD nur vor.

Die ersten Wortwechsel lassen ahnen, wie sich der Ton im bisher so idyllischen Schweriner Schloss in den kommenden fünf Jahren verändern dürfte. Der Jurist Michael Andrejewski aus Anklam hat die Ehre, als erster NPD-Mann im Landtag zu sprechen – Thema Geschäftsordnung. Zur Begrüßung belehrt er die Abgeordneten erst einmal, wer sich am besten vorbereitet habe: die NPD. Nur ihr sei es aufgefallen, dass Paragraf 104 im neuen Regelwerk doppelt vorkomme. Auch eine kleine Lektion zum Thema Demokratie lässt der Neonazi sich nicht nehmen. „Parlamentarismus kommt vom französischen parler – wie sprechen“, merkt er in spitzem Ton zu der geplanten Redezeitverkürzung an. „Das hier soll wohl eher eine Schweigekammer werden!“

Die Demokraten geben ihr Bestes, der NPD nicht die Show zu überlassen. So einfach ist das nicht – denn um sie zu entlarven, ist Fachwissen nötig. Einige NPD-Forderungen seien verfassungswidrig, hält CDU-Politiker Lorenz Caffier den Rechten wütend entgegen: „Aber mit der Verfassung haben Sie es in der Geschichte ja eh nie so gehabt!“ „Schwätzer“, brüllt ihm NPD-Fraktionschef Udo Pastörs aus der ersten Reihe entgegen. Der Alterspräsident läutet mit der Glocke: Die Vokabel „Schwätzer“ sei „unparlamentarisch“. Die zweite Rüge folgt, als Pastörs eine Rede der FDP als „Blablabla“ verhöhnt.

Die Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider hatte schon vor einigen Tagen neue Regularien angekündigt, um dem rechtsextremen Spuk im Schloss Grenzen zu setzen. Der Landtag werde sich gegen „alle extremistischen Angriffe verteidigen“, versprach sie gestern erneut: „Mecklenburg-Vorpommern ist und bleibt ein Land, in dem Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit nichts zu suchen haben.“ Da lachen die sechs Herren rechts außen.