Senat: Kein Verkauf

Will Berlin seine 270.000 Wohnungen verkaufen? Koalitionäre mühen sich, Gerüchte zu zerstreuen

Der Regierende Bürgermeister versuchte, seine Erregtheit zu zügeln. Berlin werde keine Wohnungsbaugesellschaften verkaufen, um die Sanierung des Landeshaushalts zu unterstützen. „Berlin muss nicht verkaufen und hat auch nicht die Absicht, zu verkaufen“, sagte Klaus Wowereit gestern. Wowereits Gereiztheit hat einen Grund. Ausgerechnet während der Koalitionsverhandlungen seiner SPD mit der Linkspartei hatte die Berliner Zeitung geschrieben, Finanzsenator Thilo Sarrazin befürworte einen vollständigen Verkauf der insgesamt mehr als 270.000 Wohnungen – gegen die offizielle Linie der Koalitionsparteien.

Ein Koalitionsstreit, bevor das Bündnis überhaupt besiegelt ist? Nein, wiegelte der Sprecher der Senatsfinanzverwaltung, Matthias Kolbeck, prompt ab. „Sarrazin hat nicht den Ausverkauf der Wohnungsbaugesellschaften gefordert.“ Die Zeitung zitiere vielmehr aus einer Studie der Finanzverwaltung. Das Papier sei lediglich Teil des vom Senat geforderten Gesamtkonzepts für die sechs landeseigenen Wohnungsbauunternehmen. Die sind mit fast 8 Milliarden Euro verschuldet. In dem 20-seitigen Papier heißt es laut Berliner Zeitung, der Berliner Wohnungsmarkt werde voraussichtlich entspannt bleiben. Privatisierungen führten daher nicht zu höheren Mietpreisen.

Die Linkspartei reagierte empfindlich. Die Sozialisten wollen den Wohnungsbestand wahren – und alle landeseigenen Unternehmen behalten. Wirtschaftssenator Harald Wolf sagte: „Verkäufe an sogenannte Heuschrecken sind ausgeschlossen. Sollten Verkäufe notwendig werden, dann an andere städtische Gesellschaften oder Genossenschaften.“ Doch der Senat hat ein großes Problem: Die hochverschuldete Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) wird voraussichtlich bald Bestände verkaufen müssen, um zumindest die drängendsten Bankenkredite bedienen zu können. Deshalb schränkte Wolf ein, der Senat werde im Fall der WBM „eine zweite Meinung“ einholen.

Aus Wowereits Sicht ist die Debatte um Wohnungsverkäufe ohnehin bald überholt. Am Donnerstag entscheidet das Bundesverfassungsgericht über finanzielle Hilfe für Berlin. Bis dahin gelte: „Alle mal ein bisschen ruhig bleiben.“ MATTHIAS LOHRE