Besuch bei der Drogenszene

Nach Beschwerden von Anwohnern über Junkies und Dealer im Viertel will sich Innensenator Röwekamp ein Bild von der Drogenszene machen. Und davon, ob das Konzept der Polizei aufgeht

von Eiken Bruhn

Die Junkies im Viertel bekommen nächste Woche hohen Besuch. Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) will sich am 26. Oktober auf einem Rundgang mit Anwohnern ein Bild von der Drogenszene rund um die Sielwallkreuzung machen. Auch Vertreter des Ortsamtes Östliche Vorstadt und der Polizei sind eingeladen, über den Umgang mit Junkies und Dealern zu diskutieren. Anlass ist ein Beschwerdeschreiben von Anwohnern der Linienstraße. Der Innensenator wolle zeigen, dass er die Sorgen der BürgerInnen ernst nehme, sagt sein Sprecher Markus Beyer. Ausdrücklich sei der Ortstermin aber keine öffentliche Diskussionsveranstaltung, so Beyer.

Dabei sind die Linienstraßen-Leute derzeit nicht die einzigen, die sich von Politik und Polizei alleine gelassen fühlen. So beklagen Mieter einer Wohnanlage im Fehrfeld, dass sie ihre Kinder nicht mehr im Hof spielen lassen mögen wegen der „Hinterlassenschaften“ von Drogenabhängigen wie Spritzen und Kot, aber auch Kondomen, weil dort auch Prostituierte ihrer Arbeit nachgingen, manchmal auch am Tag, beobachtet von den Kindern. „Wir können die Kinder eigentlich nicht mehr raus lassen“, sagt Friederike Emole, die dort mit ihren drei Kindern im Alter von 1 bis 9 Jahren lebt. „Die Junkies sind mittlerweile rund um die Uhr hier, manchmal auch in den Häusern, wenn eine Tür kaputt ist.“ Neulich hätten Kinder beobachtet, wie sich eine Frau einen Schuss gesetzt habe und hätten Spritzen gesucht, um das nachzuspielen, erzählt Emole. Gespräche mit der Polizei seien unergiebig gewesen, weil diese darauf hingewiesen hätte, zu wenig Personal zu haben, um häufiger nach dem Rechten sehen zu können. „Es fühlt sich einfach niemand zuständig dafür“, sagt Emole, auch die Unterstützung von Ortsamt und Beirat reiche nicht aus, offenbar weil niemand so recht wisse, was zu tun ist.

Ortsamtsleiter Robert Bücking hingegen hält das Problem für lösbar. Schließlich sei es Ende der 90er Jahre schon einmal gelungen, das Fixen in Hauseingängen und auf Spielplätzen im Viertel in den Griff zu bekommen. Auf der einen Seite müssten Drogenabhängige genügend Hilfen bekommen, etwa bei der Wohnungssuche und bei der Unterbringung in Methadon-Programmen. Auf der anderen Seite sei schiere Polizeipräsenz gefragt, so Bücking. An der mangele es derzeit, vor allem nachts seien zu wenig Polizisten im Viertel unterwegs. Seitdem die Polizeiwache Steintor nachts nicht mehr geöffnet habe, seien zu wenig Beamte vor Ort, um schnell reagieren zu können.

Diesen Eindruck hat auch Tam Jooshani. Seit 14 Jahren betreibt er ein Café im Steintor. Aus Angst, Kunden zu verunsichern, möchte er den Namen seines Lokals nicht gedruckt sehen. 35 Minuten habe die Polizei am Sonntag vor einer Woche gebraucht, bis sie auf seinen Anruf reagierte, berichtet Jooshani. Der Gastronom hatte um Hilfe gebeten, nachdem sich vor seinem Lokal zwei Dealer prügelten. „Meine Mitarbeiter sind dazwischen gegangen“, erzählt Jooshani. Einer der beiden Dealer sei geflüchtet, der zweite begann zu randalieren und mit Aschenbechern zu werfen. Für ihn sind auch nicht die Junkies das Problem – „mit denen leben wir im Viertel“ – sondern die Dealer. Er habe die Erfahrung gemacht, dass diese aggressiver reagierten als andere Dealergruppen zuvor. Früher habe er noch sagen können, sie sollen woanders ihre Geschäfte abwickeln, „die jetzt zücken gleich das Messer“.