Humor und seine Grenzen

Der Film „Borat“ des Comedians Sacha Baron Cohen diffamiere Sinti und Roma, sagt das Europäische Zentrum für Antiziganismusforschung in Hamburg – und stellte Strafanzeige bei der Hamburger Staatsanwaltschaft

Endgültig gereicht hat es Marko Knudsen, als er den Trailer zu „Borat – der Film“ sah. „Passiert meinem Hummer etwas, wenn ich in eine Gruppe Zigeuner reinfahre?“, fragt da ein Autobesitzer den Autohändler. Gemeint ist das als Satire, für Knudsen aber ist das schlicht „Gewalt gegen Minderheiten“. „Das ist weit über die Grenzen des guten Geschmacks hinausgeschossen.“ Knudsen sah sich die Website des Films an, auf der unter anderem zu lesen war: „Was du nennen in andere Stadt Tauben und Ratten, das nennen bei uns Zigeuner. Stinken, machen Dreck, klauen, pissen wohin wollen.“

Knudsen sagt: „Unsere Arbeit wird darunter leiden.“ Wir, das sind zahlreiche Hochschullehrer aus Hamburg, Marburg und Berlin, die sich mit der Rom und Cinti Union Hamburg zusammengeschlossen haben zum Europäischen Zentrum für Antiziganismusforschung in Hamburg. Als Vorstand des Zentrums beriet sich Knudsen mit Kollegen und Rechtanwälten und stellte am Montag bei der Staatsanwaltschaft Hamburg Strafanzeige wegen volksverhetzender Aussagen, Beleidigung, Aufruf zur Gewalt gegen Roma und Sinti und Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgesetz. Die Anzeige richtet sich gegen den Verleih des Films, die Twentieth Century Fox Germany GmbH, den Webspaceprovider Schlund und Partner AG und gegen den Comedien Sacha Baron Cohen, der Borat ersonnen hat und im Film verkörpert.

Borat ist nach Ali G der zweite Charakter, mit dem der Brite Cohen für Aufsehen sorgt. Im Film ist Borat ein kasachischer Reporter, der durch die USA reist, dort voller Naivität die glitzernde Warenwelt entdeckt und nebenbei sein Heimatland Kasachstan beschreibt als bizarr-mittelalterliches Land, in dem fermentierte Pferdepisse das Nationalgetränk sei. Die Welt berichtete, Kasachstans Präsident Nasarbajew sei derart „sauer und besorgt“, dass er bei einem Gespräch mit US-Präsident Bush über Cohen reden wolle.

Für den Comedian Sacha Baron Cohen ist der Eklat nichts neues: Anfang 2005 beispielsweise trat Cohen bei einer Rodeo-Veranstaltung in den USA als Borat auf und sagte: „Ich hoffe, dass Sie jeden Mann, jede Frau und jedes Kind im Irak umbringen – und auch die Eidechsen!“ Als er hinzufügte, Bush möge das Blut der Iraker trinken, protestierte das Publikum. Es geht oft um Geschmacksgrenzen bei Cohen und bei Debatten über seine Minderheiten-Witze wird gerne angeführt, dass Cohen Jude sei – also in Großbritannien selbst einer Minderheit angehöre.

Für Marko Knudsen dagegen zeigen Cohens Witze über Sinti und Roma „eine neue Qualität von Vorurteilen“. Neben der Strafanzeige will er eine einstweilige Verfügung durchsetzen, um den Start des Films am 2. November zu verhindern.

Beim Verleih Twentieth Century Fox mochte man gestern keine Stellungnahme zu dem Fall abgeben, arbeite aber an einer Presseerklärung, so eine Sprecherin. Und beim Webspace-Provider Schlund und Partner würde man Inhalte prüfen, wenn es Hinweise auf strafrechtliche Relevanz geben würde, so Sprecher Andreas Maurer. „Unserer Meinung nach wird der Inhalt der Seite ‚borat.de‘ hauptsächlich durch Satire geprägt.“

Klaus Irler