„Das ist kein Zugewinn an Demokratie“

Die SPD ficht der Erfolg des Volksbegehrens nicht an. SPD-Abgeordneter Björn Tschöpe erklärt seine Ablehnung

Mehr als 70.000 Unterschriften für das Volksbegehren von „Mehr Demokratie“: Ist das ein Schlag ins Gesicht der SPD?

Björn Tschöpe: Nein. Wir sind dazu gekommen, dass wir uns sachlich nicht für kumulieren und panaschieren aussprechen wollen. Das halte ich nach wie vor für richtig. Das 70.000 Bürger zu einer anderen Auffassung kommen finde ich völlig in Ordnung.

Ist das kein Signal an die SPD, ihre Position zu überdenken?

Wir hatten ein Wahlrechtsausschuss, der über ein Jahr gearbeitet hat. Und wir haben das Thema in den Partei und Fraktionsgremien diskutiert. Im Ergebnis sind wir dazu gekommen, dass kumulieren und panaschieren kein Zugewinn an Demokratie sind – eher das Gegenteil.

Warum?

Man schließt – je komplizierter man Wahlrechte gestaltet – Leute aus. Das ist ein Befund, den wir im Ausschuss auch eindeutig festgestellt haben. Außerdem geht es „Mehr Demokratie“ sichtlich um eine Personalisierung und damit Entpolitisierung. Wir sind eine Programmpartei. Wir haben ein Interesse daran, dass die Leute das Programm der SPD vertreten. Und nicht sich als Person. Ich will nicht, dass schillernde Persönlichkeiten die Bürgerschaft bevölkern und mal so, mal so entscheiden.

Heißt das: Die BremerInnen sind zu dumm zum Wählen?

Sie können beobachten, dass dort, wo das Kumulieren und Panaschieren eingeführt wurde, die Wahlbeteiligung massiv zurück gegangen ist. In Großstädten machen davon nur etwa 20 bis 30 Prozent Gebrauch.

Mehr als 70.000 Unterschriften sprechen eher dafür, dass das Interesse steigt.

Ein Minderheit hat mehr Auswahlmöglichkeiten. Aber zehn bis 15 Prozent, gerade aus bildungsferneren Schichten, fühlen sich von diesem Wahlrecht ausgeschlossen.

Hat die SPD zu wenig für ihre Position geworben?

Wir haben sie augenscheinlich nicht vermitteln können.

Wird das Gesetz jetzt schon im Vorfeld der Volksabstimmung im Mai von der Bürgerschaft umgesetzt?

Ich kann mir das nicht vorstellen. Wir wollen auch keinen abgemilderten Entwurf beschließen. Wenn das Volksbegehren eine Mehrheit findet, dann wählen wir ab 2011 so. Damit habe ich kein Problem.

Dieses Volksbegehren war das erste, das in Bremen Erfolg hatte. Das liegt unter anderem an den hohen Hürden. Sind sie dafür, diese zu senken?

Selbstverständlich. Nur ist das mit der CDU nicht machbar.

Fragen: Armin Simon

taz nord SEITE 21