Stadtwerke erzeugen Biogas

Die Kieler Stadtwerke sind in die Erzeugung von Bioenergie eingestiegen. Das städtische Versorgungsunternehmen betreibt im ostholsteinischen Futterkamp seit Ende 2004 eine Biogasanlage. Könnte dies ein Vorbild sein für andere Stadtwerke?

VON DIERK JENSEN

Eigentlich ist die Anlage nichts Besonderes: Mit jährlich 12.000 Tonnen Gülle und 5.500 Tonnen Mais „gefüttert“, erzeugt sie Biogas, das von einem 330 Kilowatt leistenden Gasmotor in Strom und Wärme umgewandelt wird. Während man den Strom ins Netz einspeist, versorgt die erzeugte Wärme den kompletten Gebäudebestand des Lehr- und Versuchszentrums Futterkamp der Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein – insgesamt rund 1.000 Megawattstunden jährlich. Ganz normal.

Das Spannende an der Biogasanlage ist die Betreiberkonstruktion. Nicht das Lehr- und Versuchszentrum Futterkamp mit seinen 180 Milchkühen und 600 Mastschweinen ist der Energieerzeuger, sondern die Stadtwerke Kiel. Während Futterkamp „nur“ den Rohstoff Gülle liefert, ist das kommunale Energieunternehmen Eigentümer und Betreiber der Anlage und versorgt alle Ställe, Lehrgebäude und Wohnhäuser des landwirtschaftlichen Versuchszentrums mit ausreichend Wärme.

Eine solche Energie-Ehe zwischen einem lokalen Energieversorger und einem landwirtschaftlichen Betrieb ist in dieser Form bundesweit Neuland. „Es ist aus unsere Sicht eine vernünftige Partnerschaft“, unterstreicht der Leiter des landwirtschaftlichen Ausbildungszentrums, Eckhard Boll. „Für unsere Belange bot sich dieses Contracting-Modell an, weil wir nicht in den Energiebereich, sondern weiter in die Tierhaltung investieren wollen.“

Die Stadtwerke Kiel kamen zum Zuge, als die Landwirtschaftskammer vor einigen Jahren eine neue Wärmeversorgung für Futterkamp öffentlich ausschrieb und sich die Kieler mit einem Biogaskonzept um den Auftrag bewarben. „Wir haben beim Entwurf unseres Wärmekonzepts nicht die Durchmesser der Gasrohre begutachtet, sondern die Tiere auf dem Hof gezählt“, hebt Michael Lachenmann, zuständiger Projektmanager der Kieler Stadtwerke, den inhaltlichen Unterschied zum damaligen Mitbewerber Eon hervor. Auf jeden Fall konnte man die Verantwortlichen in den Reihen der Landwirtschaftskammer von der Idee einer Wärmeversorgung auf Basis von Bioenergie überzeugen. Vorausgesetzt allerdings, dass das Kieler Versorgungsunternehmen die Biogasanlage, immerhin 40 Kilometer außerhalb des eigenen Versorgungsgebietes, selber betreiben. Für die Stadtwerke war dies der Startschuss in ein neues Geschäftsfeld. Als dann der Bioreaktor im Dezember 2004 angefahren wurde, lief es allerdings nicht sofort rund. Die Prozessbiologie machte Schwierigkeiten. Doch hat man die Startschwierigkeiten inzwischen beheben können. Die Anlage laufe jetzt „störungsfrei“, so Lachenmann. Die durchschnittliche Leistung liege derzeit zwischen 92 und 95 Prozent, womit man sich im oberen Segment aller deutschen Biogasreaktoren befindet. „Daher wird es sicherlich nicht die letzte Anlage sein, die wir in Zukunft betreiben werden“, schaut der Maschinenbau-Ingenieur, der im Übrigen hohe Ansprüche an die Technikkomponenten stellt, schon mal in die nähere Zukunft. Wie mit der Technik macht Lachenmann auch keine Kompromisse in der Qualität der angelieferten Biorohstoffe. „Wir akzeptieren nur kurz geschnittenen Mais, weil wir dadurch die Verweildauer im Fermentier-Behälter auf 40 Tage reduzieren können“, erklärt der 41-jährige Biogas-Experte. „Der Betriebsaufwand muss insgesamt so niedrig wie möglich gehalten werden“, fordert der Stadtwerker. Nur einmal am Tag kontrolliert ein Techniker das Biokraftwerk im Ostholsteinischen.

Damit der Betrieb dauerhaft reibungslos funktioniert, haben die Stadtwerke nicht am technischen Equipment gespart. Die solide Förderschnecke, der vollautomatische, fünf Kubikmeter fassende Mischbehälter, wo Gülle und Mais homogen angerührt werden, und der Jenbacher Gasmotor, um nur einige Komponenten der vom Hersteller Envitec konzipierten Anlage zu nennen, stehen dafür Pate. Und wenn man schon für die Bioenergieerzeugung ein neues Haus bauen muss, dann eben in konsequenter Weise gleich mit einer Photovoltaikanlage: Zwölf Kilowatt in optimaler Südlage sind das I-Tüpfelchen der Energie-Ehe in Futterkamp.

Diese könnte durchaus Vorbild für weitere Kooperationen zwischen anderen Stadtwerken und landwirtschaftlichen Betrieben sein. Wegweisend in diesem Kontext ist sicherlich auch das Engagement der Aachener Stadtwerke (Stawag), die in diesem Jahr in die eigene Produktion von Strom und Gas aus Biomasse einsteigt. Sie baut derzeit mit einem Investitionsvolumen von zehn Millionen Euro ein fünf Megawatt großes Biogaskraftwerk in der Nähe von Kerpen. Es wird das erste in Deutschland sein, das mit einer Aufmethanisierungsanlage ausgestattet ist. Diese trennt den Kohlendioxidanteil im so genannten Druckwechselverfahren ab, sodass das erzeugte Biogas in Erdgasqualität ins vorhandene Gasnetz eingespeist werden kann. Während man nun das eigene Biogas ins Erdgasnetz des Versorgers einspeist, verwandeln mehrere auf das Aachener Stadtgebiet verteilte Blockheizkraftwerke mit einer jeweiligen Leistung von einem Megawatt, das Biogas-Äquivalent wieder in Strom und Wärme. Und zwar verlustfrei am Ort des Verbrauchs.

Das Aachener Konzept ist auch für den Kieler Lachenmann interessant. Überhaupt steht er neuen Kooperationen grundsätzlich offen gegenüber, kann sich verschiedene Beteiligungsmodelle mit der Landwirtschaft durchaus vorstellen. „Solange es wirtschaftlich bleibt.“