Berliner Schatten werden länger

Bei den Koalitionsverhandlungen geht es nach dem knallharten Karlsruher Urteil ans Eingemachte. Finanzsenator Sarrazin will Sparkurs verschärfen, die Linkspartei.PDS lehnt dies als unwirksam ab

von RICHARD ROTHER

Vor den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Linkspartei, die am Montag in die entscheidende Phase treten, zurren die Parteien ihre Positionen zurecht. Während Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) angesichts des Urteils des Bundesverfassungsgerichtes weitere Sparvorschläge ankündigt, lehnt die PDS eine Verschärfung des Sparkurses ab. Die Karlsruher Richter hatten dem Land jeden Anspruch auf Entschuldungshilfen verwehrt. Mehr als 60 Milliarden Euro Schulden drücken Berlins Haushalt; für Zinsen werden 2,5 Milliarden Euro aufgewendet.

Dass nun der ganz große Sparhammer – etwa Massenentlassungen im öffentlichen Dienst, Schließung von Opern oder Unis, Verkauf des Stadteigentums – geschwungen wird, ist aber nicht zu erwarten. Selbst Sparkommissar Sarrazin äußerte sich gestern relativ moderat: Berlin müsse einen möglichst hohen Überschuss erwirtschaften, „um möglichst viel von unseren Zinsen zahlen zu können“. Sonst wachse der Schuldenberg weiter. Dessen Abbau postuliert Sarrazin nicht.

Gespart werden müsse also nach wie vor, so Sarrazin. Doch seine Themen sind lange nicht so radikal, wie man es nach dem harten Urteil hätte erwarten können. „Ich glaube nicht, dass wir uns diese Polizeiausstattung dauerhaft leisten können“, so der Senator. Auch sehe er nicht ein, dass Berlin bei Pisa ganz hinten sei, aber 18 Prozent mehr Lehrer habe. Interessant sei auch, dass die drei Berliner Universitäten mehr Zuschüsse bekämen als die beiden Münchener, diese aber die bundesweite Exzellenzinitiative gewonnen hätten. Der Verkauf der landeseigenen Wohnungen sei eine politische Entscheidung, für die Haushaltskonsolidierung aber eine Nebensache.

Der PDS-Finanzexperte Carl Wechselberg lehnte gestern hingegen sowohl ein „Angstsparen“ als auch „kleinteilige, symbolische Sparakte“ ab. Der Schuldenberg lasse sich so nicht in den Griff kriegen. Die Karlsruher Richter hätten die Ära des Wettbewerbsföderalismus ausgerufen, Berlin müsse sich auf seine Stärken besinnen. „Wir dürfen die Stadt nicht kaputt sparen.“

Im Kampf mit Bund und Ländern, etwa um Geld oder Investoren, kündigte Wechselberg eine härtere Gangart an. „Die Zeit des good will ist vorbei.“ So mache es keinen Sinn, die Gewerbesteuer zu erhöhen. Die geringere Steuer sei ein Wettbewerbsvorteil. Gleichwohl müsse Berlin seine laufenden Einnahmen und Ausgaben in den Griff kriegen.

Sanierungsvorschläge machte auch die Wissenschaft. FU-Professor Peter Grottian forderte die Einführung einer „existenziellen Notlagensteuer“ für Berliner Spitzenverdiener und Unternehmer. Ganz anders Johannes Peters, der für die Hertie School of Governance eine Berliner Finanzstudie miterstellte. Um die Schulden abzubauen, müsse das Land nun 5 bis 6 Milliarden Euro im Jahr zusätzlich einsparen.

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