Kampf der Titanen an Nigerias Staatsspitze

In Erwartung des Wahljahrs 2006 zerfleischt sich die politische Klasse in der Hauptstadt Lagos selbst. Vizepräsident Atiku Abubakar wird mit Korruptionsverfahren überzogen, weil er die Nachfolge von Präsident Obasanjo antreten will

LAGOS taz ■ „Es ist gut für unsere Demokratie, dass wir diesen Streit haben“, sagt der nigerianische Vizepräsident Atiku Abubakar über seine Fehde mit dem Staatsoberhaupt. Der zweithöchste Politiker Nigerias spricht mit zwei Seelen in einer Brust. Er will einerseits staatsmännisch wirken und den Eindruck vermitteln, dass er Nigeria zuverlässig führen kann, denn er will bei den nächsten Wahlen 2007 für die Regierungspartei PDP (Demokratische Volkspartei) als Präsident antreten und die Nachfolge des gegenwärtigen Staatschefs Olusegun Obasanjo antreten. Aber er will auch stark wirken, denn zunehmende Angriffe und Anschuldigungen gegen ihn könnten seine politische Laufbahn jäh beenden. Also benimmt er sich gleichzeitig wie ein Kampfhahn. „Die Korruptionsanschuldigungen gegen mich sind von willigen Helfern fabriziert, die Leuten gehorchen, die mich von der Präsidentschaft fernhalten wollen“, wettert er. Wen der Vizepräsident Atiku Abubakar damit meint, ist klar: Obasanjo.

Der endgültige Bruch zwischen den beiden mächtigsten Politikern in Afrikas bevölkerungsreichstem Land kam im Frühjahr dieses Jahres. Eigentlich war aufgrund der nigerianischen Verfassung klar, dass Obasanjo nach seinen beiden Amtsperioden seit 1999 bei den nächsten Wahlen nicht ein drittes Mal kandidieren darf. Doch eine Maschinerie setzte sich in Gang, um die Verfassung zu ändern, damit er ein drittes Mal antreten kann. Auch wenn dieser Versuch später durch ein Votum in der Nationalversammlung vereitelt wurde – Vizepräsident Atiku Abubakar war zu früh aus der Deckung gegangen und hatte öffentlich den Versuch einer Verfassungsänderung missbilligt. Nicht zuletzt, weil er seinen eigenen Präsidentenplänen im Weg stand.

Diese Illoyalität scheint Obasanjo seinem Vize nicht vergeben zu wollen. Er behindert seither die Kandidaturabsichten seines Vizes und nimmt dabei auch das Risiko einer Spaltung der Regierungspartei mit in Kauf.

Die nigerianische Öffentlichkeit schaut mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf den Kampf der Titanen. Zum einen ist er ein böses Omen für Nigerias Superwahljahr 2007, wenn Präsident, Parlament und alle 36 Provinzregierungen neu gewählt werden. Schon jetzt bringen sich Kandidaten für die Ämter der Gouverneure, Senatoren und Abgeordneten in Stellung. Dabei wird auch auf Gewalt gesetzt, wie mehrere politische Morde in den vergangenen Monaten zeigten. Zum anderen aber nimmt die wirtschaftlich gebeutelte Bevölkerung Nigerias, die mehrheitlich in absoluter Armut lebt und noch immer auf die Dividenden der Demokratie wartet, die Selbstzerfleischung der politischen Klasse mit Genugtuung zur Kenntnis. Denn in ihren Augen ist keiner der Politiker frei von Korruption. Insofern deuten sie die gegen Atiku gerichteten Korruptionsanschuldigungen Obasanjos als weiteren Beweis für das korrupte Gesamtklima.

Inzwischen muss sich Atiku Abubakar gegen konkrete Anschuldigungen des staatlichen Code of Conduct Tribunal wehren. Zudem werden seine Geschäfte von der schlagkräftigen Kommission für Finanz- und Wirtschaftskriminalität untersucht. Und auch eine Verwaltungskommission befasst sich mit dem Vizepräsidenten.

Noch ist nichts entschieden. Aber aufgrund der laufenden Untersuchungen hat die Regierungspartei den Vizepräsidenten für drei Monate ausgeschlossen. Und das bedeutet, dass Atiku Abubakar den Nominierungsprozess für die Präsidentschaftskandidatur der PDP verpasst. Seine politischen Ambitionen kann er somit begraben.

Obasanjo hat den Kampf gegen Korruption ins Zentrum seines Regierungsprogramms gestellt. Aber mit den verschiedenen Antikorruptionsbehörden hat er sich auch geeignete Instrumente geschaffen, Politiker und andere Ehrgeizige wegen Korruptionsvorwürfen von den öffentlichen Ämtern fernzuhalten. Den durchschnittlichen Nigerianern ist es dabei egal, ob die Vorwürfe zu Recht bestehen oder durch politisches Eigeninteresse motiviert sind. HAKEEM JIMO