Weizen für Brot wird knapp

Getreidesilos leeren sich wegen schlechter Ernte und hoher Nachfrage. Weizen landet als Biokraftstoff im Tank. Brot für die Welt mahnt, Nahrung für die Bevölkerung zu sichern

BERLIN taz ■ Die Getreidepreise steigen. Die Reserven in den Lagerhallen werden immer kleiner. Zugleich wächst der Bedarf enorm. Denn immer mehr Weizen oder Mais wird in Bioethannol umgewandelt, dass dem herkömmlichen Treibstoff untergemischt wird. Landet Getreide im Autotank, werden die Nahrungsmittel knapp, so warnen jetzt Entwicklungsorganisationen.

In den USA sind die Lager für Getreide besonders leer: Laut US-Agrarministerium sind die Bestände bei Weizen auf dem niedrigsten Stand seit 20 Jahren. In den vergangenen sieben Jahren sei nur in einem Jahr mehr produziert als verbraucht worden. „Diese Entwicklung hängt direkt mit der wachsenden Bedeutung der Biokraftstoffe zusammen“, sagt Dietrich Klein, Geschäftsführer des Verbandes Landwirtschaftliche Biokraftstoffe. Hierzulande sei die Situation indes anders. Noch werde in Deutschland nämlich vergleichsweise wenig Getreide zu Biokraftstoffen umgewandelt. Wie viel – darüber gibt es bisher allerdings keine genauen Zahlen.

Die steigenden Weizenpreise in Deutschland lassen sich auf die schlechte Ernte 2006 zurückzuführen, bestätigen aber auch Wissenschaftler der Universität Hohenstein in einer neuen Studie. Sie untersuchen darin die Zukunft der Biokraftstoffe in Deutschland. Ihr Fazit: In der EU wird es keinen Mangel an Getreide für Lebensmittel geben – selbst wenn immer mehr Pflanzen zu Biokraftstoff werden. Schließlich exportiere bislang allein die Bundesrepublik jährlich acht Millionen Tonnen Getreide. Zudem könnten deutsche Landwirte bis zu sechs Millionen weitere Tonnen auf stillgelegten Flächen anbauen.

Jürgen Zeddies, Autor der Studie, erwartet, dass die Preise für Getreide in den nächsten zehn Jahren allenfalls „um etwa zehn Prozent steigen“.

Langfristig sei allerdings eine stärkere Teuerung zu erwarten. Ab 2050, so rechnet der Experte vor, müssten weltweit drei Milliarden Menschen mehr ernährt werden als heute. Dann würden die Lebensmittel knapp – „allerdings nur außerhalb der EU“, sagt Zeddies.

Die internationale Menschenrechtsorganisation Fian erwartet darum Konflikte ums Essen. Lokal seien diese schon heute zu beobachten, zum Beispiel in Indien. „Von dort wird schon heute Getreide nach Europa exportiert, obwohl auf dem Subkontinent mehr Menschen hungern als in Afrika“, sagt Fian-Expertin Gertrud Falk.

Falk steht mit ihren Befürchtungen nicht allein. Auch die Organisation für Entwicklungszusammenarbeit Brot für die Welt rechnet mit schwerwiegenden Folgen für Umwelt und Bevölkerung in den Entwicklungsländern. Der steigende Flächenbedarf für Nahrungsmittel- und Energie-Produktion werde die Abholzung der letzten Urwälder beschleunigen. Bernhard Walter von Brot für die Welt: „Die Folge wären Erdrutsche, Verschlammungen von Flüssen und damit Überflutungen.“

Zudem sei die kleinbäuerliche Landwirtschaft gefährdet. Denn die Pflanzen für Biokraftstoffe würden auch in Entwicklungsländern vor allem industriell angebaut. Monokulturen, auf denen zu Lasten der Umwelt viel Chemie versprüht werde, seien die Folge.

Trotzdem hält auch Walter die Nutzung des Nahrungsmittels Weizen zur Energiegewinnung in Europa für akzeptabel: „Der Dumping-Export von EU-Getreide in Entwicklungsländer macht nur die Märkte dort kaputt.“ Um den Hunger zu bekämpfen, sei es ohnehin besser, Weizen in den Regionen Afrikas zu kaufen, die selbst Überschüsse produzieren.

CHRISTIAN HONNENS