Unter Polizeischutz

Weil die Politikerin Ekin Deligöz das Tragen von Kopftüchern kritisierte, erhält sie Morddrohungen

BERLIN taz ■ „Die Situation ist nicht einfach“, erklärt die Grünen-Abgeordnete Ekin Deligöz. „Aber ich versuche meinen Alltag aufrecht zu erhalten und mich nicht einschüchtern zu lassen“, sagte sie der taz. Ekin Deligöz hatte muslimische Frauen in Deutschland dazu aufgefordert, „in der Gegenwart anzukommen“ und ihre Kopftücher abzulegen. Zunächst erhielt sie Schmähbriefe, jetzt bekommt sie Morddrohungen. Die Sicherheitsbehörden schätzen die Gefahr so hoch ein, dass die Grünen-Abgeordnete unter Personenschutz gestellt wurde.

Dabei hatte die Politikerin kein Kopftuchverbot gefordert, wie ihr Kritiker von unterstellt wird. Sie äußerte nur ihre Meinung. Das Kopftuch betrachte sie als „ein Symbol der entrechteten Frau“ hatte Deligöz am Wochenende in der Bild am Sonntag gesagt. Man könne den Islam von heute nicht mit einer aufgeklärten Religion vergleichen.

Eine Ansicht, die einigen zu weit ging. Die Drohbriefe stammten überwiegend von Männern, berichtet Deligöz. Die Fraktionssprecherin für kinder- und familienpolitische Angelegenheiten agierte bisher eher unauffällig in der Politiklandschaft. Jetzt aber ist sie auf den Titelseiten der türkischen Medien. „Schämt euch vor euch selbst“, titelte die türkische Tageszeitung Yeni Safak (Neue Dämmerung) am Montag. Am Dienstag schrieb die Zeitung Türkiye über sie: „Eine Schande für die Menschheit“ und unterstellte der Politikerin, dass sie Integration als Vorwand nutze, um den Islam zu attackieren.

Bundestagspräsident Norbert Lammert verurteilte die Morddrohungen „als einen schwerwiegenden Angriff auf zentrale Werte der deutschen Verfassung“ und stellte sich hinter die Kopftuch-Kritikerin. Als völlig abwegig bezeichnet die SPD-Abgeordnete Lale Akgün die Vorwürfe an Deligöz. Sie sei der Meinung, dass die moderne islamische Theologie das Tragen des Kopftuchs nicht vorschreibt: „Es ist keine Sünde, ohne Kopftuch über die Straße zu gehen.“ Sie sei fassungslos wegen der Drohungen an Deligöz. „Es geht nicht ums Kopftuch, es geht um die Meinungsfreiheit. Diese müssen wir verteidigen“, so Akgün. Auch sie habe „widerliche“ Briefe erhalten. Morddrohungen waren bisher nicht dabei. Akgün kritisiert die islamischen Verbände, welche sich bisher in vornehmer Zurückhaltung oder gar Kritik an Deligöz übten.

Der Vorsitzende der Islamischen Gemeinde Milli Görus, Yavuz Celik Karahan, bezeichnete auf der Vereinshomepage die Kopftuchkritik als „ein Armutszeugnis für das Demokratie- und Menschenrechtsverständnis“. Statt sich mit den Tüchern auf den Köpfen von muslimischen Frauen zu beschäftigen, sollten diejenigen, die dazu aufrufen, sich um die Bretter vor ihren eigenen Köpfen kümmern, sagte Karahan an die Adresse von Deligöz. „Eine muslimische Frau, die ein Kopftuchverbot fordert?“, lacht Hassan Dabbagh. „Das ist aber komisch“, findet der Imam der Leipziger Al-Rahman-Moschee. Die Morddrohung gegen Deligöz verurteilt er, schiebt aber hinterher: „Die Äußerungen der Politikerin sind intolerant. Jeder Mensch hat das Recht, seine Religion frei auszuüben.“

Dabbagh war kürzlich selbst in den Medien aufgefallen. Der islamische Geistliche hatte sich geweigert den Moderatorinnen Sandra Maischberger und Sabine Christiansen, die ihn in ihren Sendungen interviewten, die Hand zu geben. CIGDEM AKYOL