Greenpeace scheitert an König Kunde

Die Umweltaktivisten schaffen ihre Verbraucherorganisation „Einkaufsnetz“ ab, die die Bürger dazu bringen sollte, Sprit zu sparen und Ökofisch zu kaufen. Das Projekt war zu teuer, der Erfolg mager: Es fanden sich viel zu wenig Unterstützer

„Greenpeace funktioniert als Aufrüttler, nicht als Ratgeber“

von HANNA GERSMANN

Greenpeace kapituliert: Die Umweltaktivisten lösen ihre Verbraucherorganisation, das sogenannte Einkaufsnetz, auf. König Kunde lässt sich nichts sagen. Offiziell begründet der Leiter des Einkaufsnetzes, Christoph Then, den Schritt so: „Wir organisieren uns nur um.“ Hinter vorgehaltener Hand heißt es aber: „Das Einkaufsnetz frisst zu viel Geld.“ Spenden seien knapp.

Greenpeace hatte das Einkaufsnetz 1997 gegründet. Es sollte die Bürger dazu bringen, selbst etwas für saubere Luft, gutes Essen oder fairen Handel zu tun. Dahinter steckte ein Sinneswandel der Ökokrieger. „Wir glauben, dass die Konfrontation vor dem Fabriktor nicht mehr so sehr unseren Zielen nützt“, erklärte Greenpeace-Chefin Brigitte Behrens einst der taz. „Wir versuchen, den Verbrauchern eine aktive Rolle zu zuweisen.“

Satte 60 Prozent der Umweltbelastungen gehen aufs Konto des privaten Konsums. Die wenigsten steigen auf spritsparende Autos um, tischen Biomöhren auf oder stecken ihr Geld in Solarfonds. Nur: Greenpeace hat daran wenig geändert.

Zum aktuellen Stand will sich Behrens nicht äußern. Die Umweltschützer konnten das Gros ihrer Fans nicht zum Mitmachen bewegen. Greenpeace ist mit gut 550.000 Förderern die größte Umweltorganisation in Deutschland. Dem Einkaufsnetz schlossen sich jedoch nur knapp 50.000 Menschen an. Halb so viele, wie sich Greenpeace als Mindestziel gesetzt hatte. Mit dem Do-it-yourself-Angebot sollten nicht nur alte Anhänger bei der Stange gehalten, sondern auch neue Greenpeace-Mitglieder geworben werden.

Der Verschwendungssucht ist offenbar schwer beizukommen. Die Ökoaktivisten, sonst für aggressive Kampagnen bekannt, verlangten von den Verbrauchern nichts Spektakuläres: Die Mitglieder im Einkaufsnetz bekamen alle drei Monate einen Rundbrief. Sie wurden aufgeklärt über Risiken von Genfood, über Gifte in Kleidern oder ökologisch gezüchteten Fisch. Und sie wurden aufgerufen, Protest-Mails oder Postkarten an Minister und Manager zu schicken. „Kein Konzern kann am Kundenwunsch vorbei“, werben die Macher bis heute auf ihrer Homepage www.einkaufsnetz.org. Als Erfolg verbuchen sie, dass Metro, der größte deutsche Handelskonzern, 2003 erklärte, keine Gentechnik ins Regal zu nehmen. Politisch hat das Einkaufsnetz aber kein Gewicht.

„In keiner Anhörung habe ich etwas von Greenpeace gehört“, höhnt ein Mitarbeiter aus einem Konkurrenzverband, der nicht genannt werden will. Das umstrittene Verbraucherinformationsgesetz aus dem Haus von CSU-Bundesminister Horst Seehofer? Der Skandal um altes, schon grünlich schimmerndes Fleisch? Die Macher des Einkaufsnetzes wollte dazu niemand fragen. In den Fernsehshows saß stattdessen Thilo Bode, der Exchef von Greenpeace, jetzt leitet er die Verbraucherorganisation Foodwatch. Oder Edda Müller, die Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.

„Greenpeace funktioniert immer noch als Aufrüttler“, meint Karsten Klenner vom Umweltbundesamt – und „nicht als Ratgeber“. Klenner beobachtet seit Jahren, womit die Umweltorganisationen in Deutschland von sich reden machen. Zwar habe Greenpeace einst den FCKW-freien Kühlschrank mitentwickelt, damit das Gas nicht mehr die Ozonschicht zerlöchert. Oder das Auto Smile, das mit 3 Litern auskommt. Trotzdem brächten die Verbraucher Greenpeace „nicht mit Lösungen in Verbindung“, sagt Klenner. „Greenpeace deckt öffentlichkeitswirksam Missstände auf.“

Allerdings passiert auch das in letzter Zeit seltener. Darum denken die Greenpeace-Mitarbeiter in der Hamburger Zentrale nun schon seit einiger Zeit darüber nach, wie sie wieder mehr Aufmerksamkeit bekommen. Dem Einkaufsnetz warfen die Kollegen aus dem Haus vor, nicht „effektiv zu sein“. Wie viel Geld die Verbraucherorganisation genau verschlungen hat, sagt niemand. Gemunkelt wird von 400.000 Euro im Jahr für Sachkosten. Hinzu kommen Gehälter für fünf Mitarbeiter. Zusammen ist das ein Vielfaches von dem, was andere Kampagnen an Geld bekommen.

Für die Zukunft gibt es bisher nur grobe Pläne. Einiges von dem Geld soll demnächst in die internationale Arbeit fließen. Greenpeace will erstmals in Afrika Büros eröffnen. Derweil steht das Büro in Deutschland vor einem größeren Umbau. Der Aufruf zum Mitmachen soll künftig „all-inclusive“ gelten. Das heißt, jede Abteilung – ob Meeres- oder Klimaschutz – soll Protestaktionen entwickeln, an denen sich Bürger beteiligen können. Noch-Einkaufsnetz-Chef Then: „Wir geben den Verbraucher nicht auf.“

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