Kongos Wähler stehen im Regen

Unterwegs mit dem Maler Roger Botembe in Kinshasas Armenvierteln bei der Stichwahl um das Präsidentenamt

KINSHASA taz ■ Wählen ist einfach. Wahlkarte vorzeigen, Namen auf der Wahlliste bestätigen lassen, Wahlzettel nehmen, ankreuzen, in die Urne stecken und den Daumen mit nicht abwaschbarer violetter Tinte markieren lassen. Roger Botembe braucht dafür keine zwei Minuten. „Ich habe einen historischen Akt vollbracht“, sagt er und grinst. Dann aber ernsthaft: „Es gibt Generationen in diesem Land, die diese Chance nie hatten. Es kommt nicht auf den Sieger an. Der Wahlakt an sich ist wichtig.“

In strömendem Regen zogen gestern die Bürger der Acht-Millionen-Metropole Kinshasa an die Wahlurnen, um in der Stichwahl um das Präsidentenamt der Demokratischen Republik Kongo zwischen Amtsinhaber Joseph Kabila und Herausforderer Jean-Pierre Bemba zu entscheiden. Gewaltakte und militärische Aufrüstung beider Seiten haben Angst genährt. Umso entschlossener, so scheint es, nehmen die Menschen weite Wege auf überschwemmten Straßen zu ihren Wahllokalen auf sich. Der Regen, meinen viele, dämpft die Gemüter und ist ein gutes Zeichen für eine friedliche Wahl. Viele Wahllokale öffneten später als wie vorgesehen um sechs Uhr morgens, aber jedes Wahllokal hat elf Stunden auf.

Botembe ist einer der berühmtesten Maler des Kongo; kurz vor dem ersten Wahlgang am 30. Juli war das von ihm aufgebaute Künstleratelier in Kinshasa von einem Investor geräumt worden. Ein neues ist in Aussicht, aber von seinem Land ist der Maler enttäuscht. „Kabila und Bemba sind gleich.“ Von den Wahlen erhofft sich Botembe keine tiefe Veränderung.

Hämisch zeigt er auf seinem Handy die SMS-Wahlkampfnachrichten, mit denen Kabila- und Bemba-Aktivisten Kongos Mobilfunknutzer bombardieren. „Wie Millionen Kongolesen beim ersten Wahlgang, geben Sie mir Ihre Stimme“, steht in einer angeblichen persönlichen Botschaft von Präsident Kabila. Die Bemba-Aktivisten sind einfallsreicher, sie sprechen alttestamentarisch vom „Auszug aus Ägypten“ und empfehlen „Bemba gegen Sklaverei und Imperialismus“.

Botembes Geburtsviertel Ngiri-Ngiri ist eine der älteren Siedlungen Kinshasas, mit einfachen Ziegelhütten aus der Kolonialzeit, heute völlig heruntergekommen. Befragte Wähler sind sich einig: Sie wählen Bemba, „die Nummer eins“, dann wird alles besser. Bezahlte Arbeit hat von den 100.000 Einwohnern des Viertels kaum jemand, sagt Botembe, während er die schlammigen Straßen abfährt, wo er als Junge Fußball spielte.

Ein Wahlzentrum von Ngiri-Ngiri liegt im „Institut Pédagogique“, von der Mobilfunkfirma Vodacom frisch verputzt. Botembe sieht sich das verdutzt an. Dann geht er zum Nachbargrundstück: eine Grundschule, mit unmöblierten Klassenräumen voller Pfützen unter löchrigen Dächern um einen matschigen Hof gruppiert. Plötzlich tauchen durchnässte Gestalten auf, Jugendliche, die sonntags zum Haschischrauchen herkommen.

Der 20-jährige Chiko Matondo wählt Bemba, „denn mit ihm gibt es Hoffnung“. Dann stimmt er ein selbstkomponiertes Lied an: „J’en ai marre de l’amour“ – Ich bin der Liebe überdrüssig. Seine Freunde gegenüber ergänzen mit einem Chor.

Etwas anderes werden die Jungs den ganzen Tag nicht zu tun haben. „Das“, sagt Botembe, „ist der Unterschied zwischen Wahl und Wirklichkeit.“ DOMINIC JOHNSON