Rassismus ist auf dem Platz

Ausländerfeindliche Beleidigungen sind Alltag in der Fußball-Oberliga Nord. Sie kommen von gegnerischen Teams und Fans. Schiedsrichter hören weg, berichten Spieler des türkischen SV Yesilyurt

VON JOHANNES KOPP

Erniedrigungen und Beleidigungen gehören zum Alltag von Martino Gatti. Er ist italienischer Herkunft und Kapitän des SV Yesilyurt. Wenn er mit seinem türkischen Team in Brandenburg oder Mecklenburg-Vorpommern antritt, sind ausländerfeindliche Beschimpfungen die Regel. „Ob Neustrelitz, Torgelow oder Eberswalde, eigentlich kann man da alle Vereine in der Oberliga Nord aufzählen“, erklärt Gatti.

Nichtsdestotrotz nimmt der Berliner FC Dynamo in der öffentlichen Wahrnehmung eine Monopolstellung ein, wenn es um fremdenfeindliche Umtriebe in der Oberliga geht. „Beim BFC war es schon immer extrem“, sagt auch Gatti. Er weiß, wovon er spricht. Vor einigen Jahren spielte er selbst bei Dynamo.

Am Wochenende traf er mit Yesilyurt auf seinen alten Club. 300 Polizisten wachten über 412 Zuschauer. Der BFC hatte weitere 30 Ordner in den Fanblock geschickt. Jegliche Form von Diskriminierung sollte sofort unterbunden werden. Aufpasser hatten allerdings auch den Auftrag, Journalisten nicht in die Nähe der Fans zu lassen. Deren verbale Verfehlungen sollen möglichst nicht publik werden.

Dank der massiven Sicherheitsvorkehrungen hatte man die gewaltbereite Klientel beim BFC Dynamo im Griff. Das Spiel offenbarte aber eine andere Facette von Fremdenfeindlichkeit, die Martino Gatti auch als alltäglich beschreibt: Yesilyurt wurde vom Schiedsrichter verpfiffen. Selbst BFC-Trainer Ingo Rentzsch gestand später ein, Yesilyurt sei ein berechtigter Elfmeter verweigert worden. Für Aufsehen sorgte auch, dass der angeblich Unparteiische, Michael Geiler, ein brutales Foul eines BFC-Spielers nicht einmal mit einem Freistoß ahndete. Der Yesilyurter Spieler wälzte sich derweil mit einer langen Risswunde am Fuß auf dem Rasen. „Halt die Klappe“, habe Geiler zu ihm gesagt, so Gatti, als er versuchte, in seiner Funktion als Mannschaftskapitän mit ihm zu sprechen. Die meisten Schiedsrichter seien parteiisch und würden bei ausländerfeindlichen Beleidigungen auf dem Platz einfach weghören, erzählt der Spieler.

In Torgelow, berichtet Gatti, habe sein Team einmal auf das Auslaufen nach der Partie verzichten müssen, weil auf dem Platz die heimischen Zuschauer Spalier standen und mit Schlägen drohten. In Neustrelitz hätten gar die Spieler versucht, dem türkischen Team den Zugang zur Dusche zu verweigern.

Als positives Beispiel fällt Gatti nur Babelsberg ein. Und: „Neuruppin ist nicht so schlimm, da haben uns kürzlich nur zwei, drei Zuschauer beleidigt. Das empfindet man schon als harmlos.“ Yesilyurt-Trainer Yüksel Yesilova relativiert auch das: „Auf der Pressekonferenz in Neuruppin hat mir ein Mann für alle sichtbar stetig den Mittelfinger gezeigt. Erst als mir nach zehn Minuten der Kragen platzte und ich mich beschwerte, wurde er rausgeschmissen.“

Mannschaftsbetreuer Hüseyin Cinar hat beobachtet, dass vielerorts die Aggressionen zum Ausbruch kommen, wenn das eigene Team in Rückstand gerät. Es sei nicht einfach, so viel Feindseligkeit auszuhalten, räumt Gatti ein. Deshalb aber aufzuhören, hält er für das falsche Signal. „Ich heiße ja nicht Gerald Asamoah“, sagt Gatti. Wenn sich der schwarze Nationalspieler gegen Rassismus wehre, würde das Aufmerksamkeit erregen. Aber bei einem Oberligaspieler „interessiert es niemanden“.