„In jedem Handy steckt Physik“

Physik hat bei Mädchen einen schlechten Ruf. Wissenschaftlerinnen, die sich von diesem Image nicht haben abschrecken lassen, treffen sich bei der 10. Deutschen Physikerinnentagung – und erklären dem Nachwuchs, warum das Fach sexy ist

VON KATRIN CHOLOTTA

Physik ist was für Jungs. Schülerinnen kippeln nur gelangweilt auf ihren Stühlen, wenn Lehrer die Rätsel von Mechanik oder Elektrotechnik erklären. Nur ein Bruchteil der Mädchen wählt Physik überhaupt als Abiturfach. Barbara Sandow mag dieses Ungleichgewicht nicht als gottgegeben akzeptieren. „Schon unsere Schulbücher für Physik sind gruselig und sprechen insbesondere Mädchen nicht an“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Physikalischen Institut der Freien Universität. Textlastig und trocken seien die Standardwerke, „dabei steckt doch in jedem Handy Physik“. Man müsse es den Mädchen nur zeigen.

Das versucht ab morgen die 10. Deutsche Physikerinnentagung. Bis Sonntag treffen sich rund 70 Wissenschaftlerinnen aus dem In- und Ausland an der Technischen Universität. Die Physikerinnen tragen dort nicht nur ihre neuesten Forschungsergebnisse vor. Auch ein spezielles Programm für Schülerinnen ist fester Bestandteil der Tagung. Bei Mitmach-Experimenten werden Solarzellen aus Lebensmittelfarbe gebaut. Oder es wird untersucht, ob Handys auch in der Mikrowelle klingeln.

„Uns fehlen einfach die Vorbilder“, sagt Dörthe Eisele. „Wenn ich damals mit langen Haaren und gestylt durch das Physikinstitut gelaufen bin, wurde ich gefragt, wo denn hier das nächste Sekretariat sei“, erinnert sich die Initiatorin der ersten Physikerinnentagung an ihr Studium. Eine Frau in der Physik könne man sich eben genauso schlecht vorstellen wie einen männlichen Sekretär, meint die ehemalige TU-Frauenbeauftragte Eisele. Werden Jugendliche nach dem Image von Physikinteressierten gefragt, so halten sie diese häufig für „verklemmt, schlecht gekleidet und männlich“.

Doch nicht nur die Schulen müssen aufholen, wenn Deutschland im internationalen Exzellenz-Wettbewerb mithalten will. So sind in Portugal bereits ein Viertel aller Physikprofessuren mit Frauen besetzt, in der Türkei sind es 10, in Deutschland nur etwas mehr als 3 Prozent. Mangelnde Perspektiven in der deutschen Männerdomäne Physik halten selbst technikbegeisterte Frauen von Studium und Wissenschaftskarriere ab. Unrecht haben sie mit ihren Befürchtungen nicht, wie eine Umfrage des Arbeitskreises Chancengleichheit der Deutschen Physikalischen Gesellschaft belegt. Physikerinnen verdienen hierzulande im Schnitt 25 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen und müssen überdurchschnittliche Leistungen erbringen, um überhaupt aufzusteigen. Eine deutliche Mehrheit ist kinderlos.

Die geballte Frauenpower in Berlin soll deshalb neben Fachdiskussion auch den Netzwerken dienen und weibliche Karrieremöglichkeiten durch erfolgreiche Vorbilder zeigen. Die Physikerin Eisele will vor allem mit dem Klischee der „müden, erschöpften Wissenschaftlerin, die irgendwo im Labor vor sich hindümpelt“, aufräumen.

„Physikerinnen dürfen und sollen Frau sein.“ Unter diesem Motto hat Monika Ritsch-Marte ihren Eröffnungsvortrag angekündigt. Die Professorin für biomedizinische Physik an der Uni Innsbruck wurde erst kürzlich als erste Frau überhaupt in die Österreichische Physikalische Gesellschaft gewählt.

Immerhin hat sich das Treffen der Physikerinnen selbst schon etabliert. „Archimedes wäre über ihre Veranstaltung in Gelächter ausgebrochen“, lautete noch die Absage eines angesprochenen Sponsors für die erste Tagung vor zehn Jahren. Doch mittlerweile können Physikerinnen sogar Kanzler werden – und als solche die Schirmherrschaft über die Tagung übernehmen.

Die Tagung findet von morgen bis Sonntag an der TU Berlin statt. Am Samstag sind Frauen aller naturwissenschaftlich-technischen Disziplinen zum „Women-in-Science-Tag“ geladen. Infos: www.physikerinnentagung.de