„Seit Herbst steigt die Nachfrage deutlich“

Die Arbeitsmarktexpertin Beate Raabe stellt fest, dass junge Akademiker wieder leichter Jobs finden. Vor allem Ingenieure sindheiß begehrt. Und auch Geisteswissenschaftler haben Chancen. An den älteren Arbeitslosen aber geht der Aufschwung vorbei

taz: Erstmals seit Jahren sinkt die Arbeitslosenquote auf unter zehn Prozent. Hat sich die Joblage auch für Hochschulabsolventen gebessert?

Beate Raabe: Ja. Die Nachfrage nach jungen Akademikern steigt deutlich. Wir beobachten das schon seit Herbst vergangenen Jahres. Und dieses Jahr hat sich der Trend fortgesetzt.

Gilt dies für alle – oder nur für bestimmte Berufsgruppen?

Für 2006 haben wir noch keine Daten. Wir wissen aber, wer 2005 besonders gefragt war: junge Ingenieure. Die werden zum Teil schon von der Uni weg abgeworben. In einigen Bundesländern und bei bestimmten Unterrichtsfächern sind auch Lehrer sehr begehrt. Und bei Ärzten haben wir nur sehr wenige Arbeitslose. Schwer haben es Juristen.

Und die Geisteswissenschaftler? Stehen sie jetzt besser da als in den Jahren zuvor?

Geisteswissenschaftler haben es nach wie vor schwer auf dem Jobmarkt. Aber ihr analytisches Herangehen und ihre Kommunikationsfähigkeiten werden durchaus geschätzt. Generell sollten wir eins nicht vergessen: Selbst in Zeiten schlimmster Jobnot waren Akademiker privilegiert. Unter ihnen betrug die Arbeitslosigkeit nie mehr als 4 Prozent. Es ist eher so, dass sich gegenüber den Neunzigern die Suchdauer verlängert hat – also die Zeit, die ein Absolvent braucht, bis er eine Stelle gefunden hat. Das heißt aber nicht, dass er gar keine findet.

Ist die so viel diskutierte „Generation Praktikum“ also Vergangenheit?

Es gibt natürlich nach wie vor Berufsgruppen, bei denen die Arbeitgeber den Überschuss an Bewerbern ausnutzen – etwa bei den Architekten. Aber grundsätzlich können wir nicht feststellen, dass die Generation Praktikum so ein Massenphänomen ist, wie es in den Medien oft dargestellt wird. Eine mehrmonatige Suchphase nach dem Examen ist ganz normal. Dass sie sich über Jahre streckt, mag vorkommen. Ich bezweifele aber, dass dies mehr als Ausnahmefälle sind.

Erreicht der Aufschwung denn auch ältere Akademiker – etwa den fünfzigjährigen Ingenieur, der seinen Job verloren hat?

Da hat sich die Lage bis heute nicht gebessert. Leider. Ältere Arbeitnehmer kommen höchstens dann noch zum Zuge, wenn ein Unternehmen partout keinen jungen Bewerber findet. Ich habe das öfter bei kleineren Betrieben in Baden-Württemberg beobachtet. Sie finden oft keine Hochschulabsolventen, weil die lieber zu großen Firmen mit bekannten Namen gehen. Dann stellen sie eben einen alten Bewerber ein. Und sind meist überrascht, wie gut die Leute arbeiten.

Wie erklären Sie sich, dass ältere Arbeitslose bei der Jobsuche so viel schlechter dastehen?

Das ist ein deutsches Phänomen. Ein Umdenken, das anderswo längst stattgefunden hat, hat es hier noch nicht gegeben. In Finnland etwa war vor 10 oder 15 Jahren die Quote älterer Arbeitnehmer noch niedriger als in Deutschland. Jetzt hat es uns bei weitem überholt. Auch in Australien ist das zu beobachten.

Was tun diese Länder, das Deutschland bislang versäumt hat?

Sie agieren mit einem ganzen Bündel von Maßnahmen. Sie setzen die Anreize zur Frühverrentung herab. Sie betreiben gezielt Gesundheitsvorsorge für Ältere. Es herrscht eine Unternehmenskultur, in der man Ältere ebenso selbstverständlich wie Jüngere zu Fortbildungen schickt. Wir müssen unseren Firmen stärker klarmachen, dass ihr jetziger Jugendwahn nicht haltbar ist – schon, weil gar nicht genügend Hochschulabsolventen nachkommen.

INTERVIEW: COSIMA SCHMITT