Art, Cologne etc.
: Köln reitet wieder

Wenn gar nichts mehr geht, wird der Mythos bemüht. In der frisch gestylten, auf Flughafen-Terminal getrimmten Eingangshalle zur 40. Art Cologne, ihres Zeichens immerhin dienstälteste Kunstmesse der Welt, baumelt die Vergangenheit von der enormen Deckenkonstruktion. Stoffbanner, die in grobkörnigen Schwarzweißdrucken an bessere Zeiten erinnern: Neumarkt der Künste, Fluxus, Polke, Richter und die ganze Sause der Achtziger und Frühneunziger. Als es Berlin noch nicht gab und Frieze eine herbe Polizei-Anweisung aus Compton war. Der Rest ist bekannt. Die „alte Tante“ unter den Kunst-Events fiel erst hinter Basel, dann hipmäßig hinter London, Miami und irgendwie auch hinter dem Learjet-Sammlerwesen von Neu-Berlin zurück. Der 2003 inthronisierte Messemacher Gérard Goodrow kämpft seitdem gegen das Monster der Bedeutungslosigkeit.

Gefragt sind Mumm und Taten. Für 2007 etwa weicht die Messe vor der Herbst-Konkurrenz ins Frühjahr aus. Auch sonst herrscht in den lichthellen Hallen 4 und 5 eine trotzige „Jetzt erst recht“-Stimmung. Neben eher lokalen Kunstgriffen wie der Zusammenlegung der „Langen Nacht der Museen“ mit dem Art-Cologne-Freitag hat man sich allerlei stimmungsaufhellende Maßnahmen ausgedacht. Es gibt viel Raum für juvenile, zumeist gönnerhaft geförderte Kunst. Etwa die Maßnahme „Junger Ankauf“ für das Museum Ludwig. Dazu allerlei Wohlfühl-Chichi vom Edel-Italiener über einen als Kunstkoje getarnten Pferdestall bis zur Erwachsenen-Schaukelzone in dem auf rund 180 Galerien geschrumpften Parcours.

So passt es ins Bild, dass am mit 15.000 Semi-Prominenten gut besuchten Eröffnungstag gleich eine ganze Batterie an Zukunftsmeldungen produziert wurde. Die European Kunsthalle etwa, ein Rebellenprojekt entnervter rheinischer Kunstpiraten um Gründungsdirektor Nicolaus Schaffhausen, verkündet bei Kölsch und Matjes-Happen die Wiederbelebung der legendären „Köln Show“ aus dem Jahr 1990. In gegenwärtig 16 Galerien soll im April 2007 zum großen Volume-Zwo-Wurf ausgeholt werden. Neustart oder letztes Zucken? Ein Blick zurück nach vorn, der sich in die aktuelle Retro-Köln-Glorifizierung in den USA und anderswo (siehe taz vom 31. 8. 2006) einfädelt. Bewegung auch an der immer wichtiger werdenden Sponsoring-Front. Ikea versucht erstmals mit einem schrillen City-Showroom für Schweden-Kunst ans internationale Geschehen anzudocken. Am Rhein eher Frühlingsgefühle statt Totentanz. RALF NIEMCZYK