Uni will Verschwörungsfilm nicht sehen

Der Präsident der Humboldt-Universität, Christoph Markschies, zieht drei Tage vor der geplanten Vorführung die Notbremse für den Low-Budget-Dokumentarfilm „Loose Change“. Für den Veranstalter ein klarer Fall von Zensur

Es hätte ein interessanter Filmabend werden können. Am vergangenen Freitag um 19 Uhr sollte im Kinosaal der Humboldt-Universität (HU) der Low-Budget-Dokumentarfilm „Loose Change“ (Kleingeld) gezeigt werden, der die offizielle Darstellung der Attentate vom 11. September 2001 hinterfragt und ihr eine eigene Interpretation entgegenhält. Indes, aus dem Kinoerlebnis wurde nichts. Zwei Tage vor der Aufführung erhielt Veranstalter Moritz Rehmet ein Schreiben der HU, in dem die Genehmigung zurückgezogen wurde. Offizielle Begründung: Es sei keine studentische Filmvorführung.

„Loose Change“ ist eine Laien-Produktion, die mithilfe öffentlich zugänglichen Materials wie Fernsehbildern und Interviewmitschnitten eine Verschwörungstheorie entwickelt: Die US-Regierung habe die Öffentlichkeit über die wahren Hintergründe der Anschläge getäuscht und sei selbst in sie involviert. Der Film ist seit 2005 kostenlos im Internet verfügbar. Die Zahl der Downloads bewegt sich im zweistelligen Millionenbereich.

„Formal mag das Argument des fehlenden studentischen Bezugs korrekt sein“, erklärt Rehmet. „Aber das hätte den Verantwortlichen der HU seit längerem klar sein müssen.“ Das Brisante ist, dass in der Begründung der HU eine Reihe inhaltlicher Kritikpunkte an dem Film aufgeführt werden. Er enthalte „rassistische und diskriminierende Behauptungen“ und sei pseudowissenschaftlich. Eine öffentliche Vorführung gefährde sowohl das Image der HU als auch „das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland“. Für Veranstalter Rehmet ist das ein klarer Fall von Zensur.

HU-Präsident Christoph Markschies verteidigt die harte Linie des Vorführungsverbots: „An dieser Universität werden Filme mit wilden Mutmaßungen antijüdischen und antiamerikanischen Charakters, schon aufgrund ihrer Geschichte in den Jahren 1933 bis 1945, nicht öffentlich gezeigt – zumal der Film ja ohne Mühe von jedem häuslichen Schreibtisch aus gesehen werden kann“, sagte er gegenüber der taz.

Statt einer Kinovorführung gab es übrigens für diejenigen, die am Freitagabend in den Kinosaal der HU kamen, Gratis-DVDs mit dem Film. Mehr als 200 Stück seien verteilt worden, freut sich Rehmet. Er versucht nun einen neuen Ort für eine öffentliche Vorführung zu finden. MARKUS WANZECK