Mehr Überwachung

Zypries legt die lange erwarteten Pläne zur Neuregelung der Überwachung von Telefonen, E-Mails und Internet vor

FREIBURG taz ■ Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) will mehr polizeiliche Überwachung der Telekommunikation zulassen und dabei zugleich die Rechte der Bürger stärken. Das ist die Botschaft eines Gesetzentwurfs, den Zypries gestern vorstellte.

Weil Kriminelle ihre Handys häufig wechseln, steigt die Zahl der überwachten Telefone seit Jahren stark an. Zwei Drittel der Maßnahmen beziehen sich derzeit auf Drogendelikte. Zukünftig, so der Plan von Zypries, soll das Abhören von Telefonen aber auch bei Ermittlungen wegen zusätzlicher Delikte erlaubt sein, etwa bei Korruption, gewerbsmäßigem Betrug und schweren Steuerstraftaten. Im Gegenzug wurde die Abhörerlaubnis bei einigen Delikten wie der Beihilfe zur Fahnenflucht gestrichen, die bisher aber eh nicht ins Gewicht fallen. Unter dem Strich wird es voraussichtlich noch mehr Telefonüberwachungen geben.

Erstmals wird gesetzlich geregelt, dass Telefonate mit Pfarrern, Strafverteidigern und Abgeordneten nicht abgehört werden dürfen, es sei denn, diese sind selbst verdächtig. Bei sonstigen Rechtsanwälten, Journalisten und Ärzten muss nur die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme streng geprüft werden. Der „Kernbereich privater Lebensverhältnisse“ ist künftig auch am Telefon geschützt. Gespräche mit der engsten Familie dürfen nicht verwertet werden. Zypries setzt damit ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum niedersächsischen Abhörrecht um.

Über die Abhörmaßnahmen sollen künftig nicht mehr die örtlichen Amtsgerichte entscheiden, sondern nur größere Gerichte am Sitz der Staatsanwaltschaft. Die „Bündelung der Fachkompetenz“ soll die Grundrechte der Bürger stärken. Bisher lehnen Richter Abhöranträge der Polizei äußerst selten ab.

Betroffene sollen künftig nach Abschluss der geheimen Ermittlungen häufiger unterrichtet werden, plant Zypries. Soll die Benachrichtigung aus taktischen Gründen länger als ein Jahr unterbleiben, muss ein Gericht dies genehmigen.

Im Gesetzentwurf ist auch die von der EU beschlossene Vorratsdatenspeicherung enthalten. Ab Ende 2007 sollen alle Telefonverbindungsdaten ein halbes Jahr gespeichert werden, ab 2009 auch alle Internet-Verbindungsdaten. Die Pflicht zur Speicherung besteht für die Provider auch, wenn sie betrieblich überflüssig ist, weil der Kunde pauschal per Flatrate bezahlt. Inhalte von Telefongesprächen, E-Mails und die im Internet angesehenen Seiten werden dabei nicht gespeichert. CHRISTIAN RATH