„Die Studienplatzsuche ist wieder eine Lotterie“

Wer akademisch ausbildet, muss endlich dafür belohnt werden, meint der hochschulpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring

taz: Herr Gehring, ein Berg von Länderministern kreißt seit vielen Wochen. Was wird dabei herauskommen?

Kai Gehring: Ich befürchte, nicht viel. Das Problem ist, dass Bund und Länder ständig nur über Zuständigkeiten und Zahlenschlüssel streiten. Zur gleichen Zeit irren Studienbewerber umher, um die sich niemand kümmert. Es ist heute wieder ein Lotteriespiel, einen Studienplatz zu bekommen.

Was meinen Sie damit? Der Studentenansturm des Jahres 2013 ist doch in aller Munde.

Die ersten Studenten stehen schon heute an den Hochschulen vor verschlossenen Türen. Die beschränkte Zulassung ist wieder zur Landplage der Hochschullandschaft geworden. Wie soll das erst werden, wenn wir nicht 2, sondern 2,5 oder 2,7 Millionen Studierende haben? Es wird Zeit, dass die Wissenschaftsminister aufwachen und sich für eine funktionierende akademische Bildung ins Zeug legen.

Woher dieser plötzliche Eifer? War Ihre Partei nicht kürzlich noch Mitglied diverser Regierungen – ohne dies zu tun?

Wir Grünen haben jedenfalls nie verhindern wollen, dass Bund und Länder kooperieren dürfen. Frau Schavan dagegen ist wirklich umwerfend konsequent – sie kämpft weiterhin für den alleinigen Einfluss der Länder auf die Hochschulen.

Was kann der Bund tun?

Es reicht eben nicht, das Geld auf den Tisch und die Hände in den Schoß zu legen. Bundesbildungsministerin Schavan muss strategisch in die Verhandlungen eingreifen. Der Ausbau der Studienplätze spielt bisher im Hochschulpakt nur die zweite Geige.

Ist das nicht eigentlich der Job der Länder?

Die Verfassung will das so, aber die Realität zeigt doch, dass hier die organisierte Verantwortungslosigkeit herrscht. Sehen Sie sich zum Beispiel das Land Niedersachsen an; nirgendwo werden Studienkosten krasser auf andere abgewälzt. Ministerpräsident Christian Wulff baut dort systematisch Studienplätze ab. Die Land exportiert inzwischen 25.000 Studierende – deren akademische Ausbildung andere Bundesländer organisieren und bezahlen müssen.

Wer bildet die aus?

Zum Beispiel Berlin, dorthin kommen per Saldo 35.000 Studierende.

Wie könnte man das Problem der Studentenwanderungen bewältigen?

Die Mobilität ist kein Problem. Nur brauchen wir zu ihrer Finanzierung einen intelligenten Verteilungsschlüssel.

Was bedeutet das?

Deutschland hat eine weit unterdurchschnittliche Akademikerrate. Es muss also echte Anreize geben, Studienplätze bedarfsgerecht auszubauen. Das Prinzip muss heißen: Geld folgt Studierenden. Wer akademisch ausbildet, muss dafür belohnt werden. Da gibt es viele Modelle, etwa die Bildungsgutscheine der Grünen. Die Studierenden bekommen sie in die Hand und lösen sie dort ein, wo sie studieren.

Entstehen so Studienplätze?

Die Studierenden bringen das Geld mit an die Hochschulen. Dafür könnten bald freiwerdende Professuren für eine Übergangszeit doppelt besetzt werden. Die Hochschulrektoren gehen von 8.000 solcher Stellen aus. Oder man schafft eine neue Kategorie von Hochschuldozenten …

die Lecturers …

Nennen Sie es, wie Sie wollen. Wichtig ist, dass das Leute sind, die gute, aber auch viel Lehre anbieten. Und später Professoren werden können. Wir wollen zudem, dass es eine Exzellenzinitiative für herausragende Lehre gibt. INTERVIEW: CH. FÜLLER