„Die Koalition ist zu zögerlich“

Rot-Rot müsste mit mehr Busspuren und Ampelvorrangschaltungen bessere Bedingungen für Bus und Bahn schaffen, sagt Fahrgast-Lobbyist Tschepe. Zudem müsse die Politik Verkehrsbetriebe zu kundenfreundlichen Angeboten zwingen

taz: Herr Tschepe, wie setzt sich Rot-Rot zukünftig für S-Bahn- und BVG-Kunden ein?

Christfried Tschepe: Wir sind mit den Inhalten des neuen Koalitionsvertrages zufrieden. Leider sind die Formulierungen aber so schwammig und allgemein gehalten, dass wir bei der konkreten Umsetzung der Ziele Zweifel haben.

Warum? Ein Satz wie „Die Steigerung der Fahrgastzahlen ist das Ziel der Verkehrspolitik“ klingt doch gut.

Klar. Dem stimmen wir auch zu. Dennoch bleiben wir skeptisch: Die Wünsche der Verkehrsunternehmen, die Ticketpreise zu erhöhen, liegen ja schon auf dem Tisch. Und wenn es an die Umsetzung geht, zeigt die Erfahrung, dass solche Sätze viele Hintertürchen offen lassen. Zumal wir einen ganzheitlichen Blick auf die Entwicklung der BVG und der Tarife vermissen.

Inwiefern?

Der Senat muss endlich eine Entschuldung der BVG ernsthaft diskutieren. Tut er dies nicht, hat das Unternehmen keine Chance, bei gleichbleibenden Tarifen das Angebot zu erhalten.

Mit Verlaub: Eine solche Forderung ist doch nach dem Finanzurteil des Bundesverfassungsgerichts illusorisch.

Nein, denn früher oder später wird sich der Senat damit befassen müssen. Es ist eine Frage der Ehrlichkeit, den Schattenhaushalt der BVG mit fast einer Milliarde Euro Schulden in den Landeshaushalt einzurechnen. Die BVG wird es nicht schaffen, bei sinkenden Landeszuschüssen und den Lasten für Zinsen und Tilgung günstige Tarife anzubieten – das wäre die Quadratur des Kreises. Finanzsenator Sarrazin fehlt da der nötige Realismus.

Die Grünen fordern, die BVG mit mehr Druck und Wettbewerb zu mehr Einsparungen zu zwingen. Eine gute Idee?

Leider ist das nach der Entscheidung des Senats, die BVG bis 2020 vor Konkurrenz zu schützen, kaum möglich. Aber Sarrazin müsste im Aufsichtsrat auf kundenfreundliche Angebote und eine schlankere Verwaltung drängen, und der Senat bessere Rahmenbedingungen schaffen.

Nämlich wie?

Er müsste mehr Busspuren und an den Ampeln Vorrangschaltungen einrichten. Solche Maßnahmen kosten nicht viel, können aber eine Menge Geld sparen und den Nahverkehr attraktiver machen. Wenn ein Bus auf einer Strecke nur ein paar Minuten schneller ist, kann die BVG Personalkosten und Fahrzeuge sparen. Da ist die Koalition zu zögerlich, weil sie die Lobby der Autofahrer fürchtet. INTERVIEW: U. SCHULTE