Das Geschäft mit dem Kinderwunsch

Illegale Kinderhändler oder seriöse Adoptionsvermittler? Gegen die in Hamburg ansässige ICCO, bislang bundesweit größte Vermittlungsstelle für Auslandsadoptionen, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen illegalen Kinderhandels

VON MARCO CARINI

Madonna hat es getan. Gerhard Schröder und Patrick Lindner auch. Und Brad Pitt und Angela Jolie haben es vor. Die Adoption eines im Ausland geborenen Babys ist für viele Paare und auch manchen Single der Schlüssel zur Erfüllung ihres Kinderwunsches. Und für viele „Kinderhändler“ ein einträgliches Geschäft mit der Ware Mensch.

Um den teilweise dubiosen Machenschaften der Adoptionsanbahner auf den Grund zu kommen, muss man nicht nach England schauen, wo die Adoption des kleinen David aus Malawi durch die Popikone Madonna für Schlagzeilen sorgte. Der Blick nach Hamburg reicht aus. Dort residierte am Neuen Wall, einer der feinsten Adressen der Hansestadt, bis vor kurzem der gemeinnützige Verein „International Child‘s Care Organisation“ (ICCO), der bundesweit größte Vermittler von im Ausland geborenen Kindern an adoptivwillige Paare. „Schnell und unbürokratisch“ vermittelte der Verein seit seiner Gründung 1997 rund 1.200 Kinder aus Vietnam, Bulgarien, Russland, Nepal oder Haiti nach Deutschland.

Seit wenigen Wochen aber sind die Türen des Vereins geschlossen. Der Grund: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) entzog der ICCO Anfang diesen Monats die „Anerkennung als Vermittlungsstelle für Auslandsadoptionen“. Bereits im Juni hatte die Gemeinsame Zentrale Adoptionsstelle der norddeutschen Bundesländer (GZA) die Vermittlungs-Genehmigung der ICCO widerrufen. Das OVG bestätigte diesen Beschluss mit der Begründung, dass die Organisation bei der Vermittlung von Kindern aus Russland mit der US-amerikanischen Agentur Amrex, einer gewerblichen Adoptionsvermittlung, eng zusammengearbeitet und dieser zudem geschützte Daten aus der eigenen Kundenkartei übermittelt habe. Doch der kommerzielle Kinderhandel ist nach dem Haager Übereinkommen strengstens verboten.

Unsauber soll auch der Kinderimport aus Indien verlaufen sein, wo die ICCO mit dem Kinderheim „Preet Mandir“ zusammengearbeitet hat, dem aufgrund unseriöser Geschäftspraktiken mittlerweile die Vermittlungslizenz entzogen wurde. Eltern, die ihr Kind dort abholen wollten, mussten noch einmal mehrere tausend Dollar extra zahlen, um ihr Adoptionskind auch tatsächlich zu bekommen.

„Das ist Menschenhandel und somit strafbar“, sagt Brigitte Siebert von der GZA. Zudem habe die ICCO Eltern genötigt, Kinder zu adoptieren, die gar nicht ihrem gewünschten Anforderungsprofil entsprachen. Die Lebensgeschichten der Kinder seien mehrfach manipuliert worden, auch Kinder, die eine Möglichkeit gehabt hätten, in ihrem Heimatland in einer Familie unterzukommen, seien mehrfach widerrechtlich nach Deutschland vermittelt worden.

Mittlerweile ermittelt auch die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Untreue und des Kinderhandels gegen den Verein. Vergangenen Mai durchsuchten Mitarbeiter des Landeskriminalamtes die Geschäftsräume des Vereins. In dem Aktenmaterial, dass die Beamten aus den Räumen schleppten, fanden sie nach Informationen der taz eine Preisliste für Kinder aus der russischen Föderation. Die Kinder sollen darauf wie „Katalogware“ aufgelistet sein; mit 12.500 Euro „Stückpreis“ pro Baby und 8.500 Euro Vermittlungskosten für ältere Kinder. Zudem sollen Gelder adoptionswilliger Eltern nicht – wie vorgeschrieben – auf die Vereinskonten der ICCO, sondern auf das Privatkonto der Vereinsgründerin Eva Maria H. geflossen sein, auf die sich die Ermittlungen konzentrieren.

Die selbst ernannte „Mutter aller Adoptivmütter“, die 14 Kinder aus acht Ländern adoptierte, streitet bis heute alle gegen sie erhobenen Vorwürfe ab. Alle Adoptionsverfahren seien „völlig korrekt abgelaufen“, Amrex habe „nicht vermittelt, sondern nur logistische Hilfe“ in Russland geleistet, und die Verwendung der eingenommenen Gelder und die Buchführung des Vereins seien „absolut in Ordnung“. Hofer sieht sich von den Behörden verfolgt, der ICCO-Vorstand spricht gar von einem behördlichen „Feldzug“ gegen den Verein.

Nach der Schließung der ICCO werden rund 300 Paare, die bereits 5.000 Euro für die Voranbahnung der in Aussicht gestellten Adoption bezahlt haben, ihr Geld nicht zurückerhalten. „Wir haben die bezahlte Dienstleistung erbracht“, sagt Eva Maria H. Die GZA sagte immerhin zu, einige „bereits angelaufene Adoptionsverfahren weiterzubetreiben, solange alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt“ seien.