Glückliche Fische

Heilbutt und Scholle werden knapp. Verbraucher lassen sich jetzt Biofisch schmecken. Was das ist, erklärt Ökohändler Herfried Effenberger

VON HANNA GERSMANN

Fisch ist gesund, lecker – und bald ausgerottet. Darf man Fisch überhaupt noch essen? „Wir waren letzte Woche ausverkauft“, sagt Herfried Effenberger. Ausverkauft? Je öfter die Experten davor warnen, dass der Mensch mit seinen Supertrawlern die Ozeane leer fischt, umso besser läuft Effenbergers Geschäft.

Was paradox klingt, hat einen guten Grund: Der kräftige Mann mit leicht grauem Vollbart fährt europaweit den ersten Öko-Fischwagen. Auf den Märkten in Hamburg bietet er Forellen, Lachs und Fischsalat an. Ein gutes Geschäft: In der Woche macht er 10.000 Euro Umsatz. Tendenz: steigend. „In den letzten Tagen haben wir 20 Prozent mehr verkauft als zuvor“, rechnet Effenberger vor.

Jeder Deutsche verzehrt im Jahr knapp 15 Kilo Fisch. In den letzten Tagen ist so manchem aber der Appetit vergangen – zumindest auf den industriell gefangenen Fisch. Denn selten zuvor haben so viele Experten gewarnt, dass die Meere in Seenot sind. Demnach fischen die hochtechnisierten Industrieflotten Speisearten wie Kabeljau, Heilbutt und Scholle weg. Effenberger hat viele Schlagzeilen dazu gelesen: Die einen titelten „Leere im Meer“, die anderen „In 50 Jahren sind die Ozeane tot“. Richtig und doch falsch, sagt Effenberger – „Das geht noch schneller.“

Meerestiere könnten ganz fix verschwinden. Bis 1960 seien noch Thunfische in der Nordsee geschwommen. „Dann waren sie einfach weg.“ Der Thunfisch sei so gejagt worden, dass plötzlich die Makrele in der Mehrzahl gewesen sei. Sie habe die Brut der Thunfische aufgefressen.

Die Fischer brächten mit ihren „unersättlichen Netzen“ das Gleichgewicht durcheinander. Dabei würden 80 Prozent aller gefangenen Fische zu Tierfutter verarbeitet. Der Ökofischhändler kann das nicht verstehen. Er will eine andere, eine ruhigere Fischerei.

Dazu kam er nur, weil er Pech hatte: Bäcker hat er gelernt, dann bekam er eine Mehlstauballergie. Ihm fiel auf, dass auf den Ökowochenmärkten, die er zuvor mit Brötchen belieferte, ein Fischwagen fehlte. Das war vor elf Jahren.

Der Mann aus Zeven kaufte seinen ersten Wagen, er hat sich eingearbeitet, Fischbücher studiert. „Bei mir kaufen Leute, die gut Bescheid wissen“, sagt er. Und Geld haben? Nein, darum gehe es nicht. Seine Kunden könnten nur „schneller denken, weil der Fisch sie gesund hält“. Werbung gehört zum Geschäft. Effenbergers Ökolachs ist doppelt so teuer wie der aus dem normalen Supermarkt. Die Leute kaufen trotzdem. Samstags ist der Wagen in den letzten Wochen oft schon um 11.00 Uhr leer.

Die Ware kommt von kleinen Fischhändlern, aber auch von der Fischmanufaktur Deutsche See. Der Bremerhavener Konzern ist in Deutschland der größte Anbieter von Fisch und Meeresfrüchten. In gut zwanzig Niederlassungen arbeiten 1.700 Menschen, die auch immer mal den lukrativen Biofisch in die Kisten packen. Das freut Effenberger – einerseits. Andererseits hält er den Einstieg der Großen in den Ökomarkt für bedenklich: Sie machen die Preise.

Teurer als herkömmlicher Fisch bleibt das Ökopendant aber immer. Die Aufzucht ist aufwendig. Was Biofisch ausmacht? Beispiel Forelle: Effenbergs Fische sind nicht wild. Sie kommen aus Zuchtteichen im Bergischen Land oder der Lüneburger Heide. Der Naturland-Verband für ökologischen Landbau hat für sie klare Kriterien entwickelt.

Die Biofische bekommen nur Ökofutter, keine Antibiotika, Hormone oder Zusatzstoffe. „Und“, sagt Effenberger, „sie haben wenig Fett, weil sie sich fit halten“.

Tatsächlich haben die Fische aus Ökozucht in ihren Becken mehr Platz – und damit mehr Bewegung.

Auch der Naturland-Lachs: Er wächst zumeist vor der Westküste Irlands auf. Der Unterschied zum Lachs aus herkömmlichen Supermärkten: Bio-Produzenten dürfen in das Lachsfleisch – anders als sonst üblich – keine Salzlake spritzen. „Das Bio-Lachsfilet enthält weniger Wasser und hat einen festeren Biss“ – Effenberger erklärt und erklärt.

Biofisch kaufen ist nicht einfach – auch für den Händler nicht. „Man muss Kompromisse machen“, sagt er. Bislang gibt es für Fisch nicht wie für Obst, Gemüse oder Brot das einheitliche grüne EU-Biosiegel. Und Naturland kennzeichnet nur Fische aus kontrollierter Aquakultur. Neben Bio-Forelle, Bio-Lachs und Bio-Saibling gehören dazu auch Bio-Shrimps. Sie kommen aus Ecuador oder Vietnam, wo sie in abgetrennten Gehegen an Flussufern leben. Es sind alte Anlagen, die auf Bio umgestellt haben. Neue bekämen kein Biozertifikat, weil für sie wertvolle Mangrovenwälder abgeholzt werden müssten.

„Für Entwicklungsländer ist die Biozucht mittlerweile eine gute Einkommensquelle“, sagt Effenberger. Doch was ist mit Fischen aus dem Meer?

Der Lebensmittelkonzern Unilever und die Naturschutzorgansation WWF haben zwar das Marine Stewardship Council (MSC) gegründet. Dieses Gremium zertifiziert Fischereien, die schonender mit dem Meer umgehen. Das Siegel soll garantieren, dass nicht mehr Getier gefangen wird als nachwächst. Es findet sich zum Beispiel auf Fischstäbchen im Supermarkt. Bei Effenberger sieht man es abernicht.

Das MSC erlaubt mit Grundschleppnetzen zu fischen. Effenberger hält das für falsch: „Die Netze rasieren den Meeresboden.“ Jungfische, Wale und Haie würden darin sterben. „Unsere Fischer arbeiten nur mit Schleppangel und Stellnetz.“ So holten sie nur die ausgewachsenen Fische aus dem Meer, die auch verkauft werden können. So etwas wie ein Öko-Zertifikat gibt es dafür nicht.

Die umweltverträgliche Fischerei ist noch nicht sehr weit.„Frisch, unbelastet, nicht weit transportiert und schonend gefangen“ – dass ein Fischhändler wie Effenberger nach diesen Kriterien arbeitet, ist noch selten. Seine Geschäftsidee: „Fischessen soll Spaß machen!