Kongos Kollektiv-Präsident

Joseph Kabila, Kongos alter und neuer Staatschef, pflegt einen ungewöhnlichen Führungsstil. Aber jetzt muss er seinen Widersachern die Hand reichen

VON DOMINIC JOHNSON

Idealerweise sind kongolesische Politiker Machtmenschen: raumfüllend und selbstbewusst, rhetorisch geschliffen und pompös, gewitzt im Umgang mit den Insignien der Macht, von brutalen Bodyguards bis hin zu goldenem Gehänge. Joseph Kabila, der alte und neue Präsident der Demokratischen Republik Kongo, widerspricht auf den ersten Blick allen diesen Klischees. Er wirkt bei öffentlichen Auftritten wie seine eigene Zweitbesetzung, er meidet politische Gespräche, er versteckt sich vor dem eigenen Land. Im kuriosen Präsidentschaftswahlkampf 2006, der ohne einen einzigen Wahlkampfauftritt der beiden Spitzenkandidaten zu Ende ging, wird von Kabila in Erinnerung bleiben, dass er der gesetzlich vorgeschriebenen Fernsehdebatte mit seinem Herausforderer Bemba unter fadenscheinigen Argumenten aus dem Weg ging. Stattdessen gab er ein Fernsehinterview, als dessen markantester Satz folgende Wahlwerbung in eigener Sache hängen blieb: „Das Schlimmste steht uns noch bevor.“

Dass Kabilas sicher geglaubter Wahlsieg dann doch noch zur Zitterpartie geworden ist, passt zur gezielten Verfehlung sämtlicher Regeln des politischen Theaters, die zum Markenzeichen dieses Präsidenten geworden ist. Aber genau damit hat er seine Gegner immer wieder in Sicherheit gewiegt und seine eigene Macht besser gefestigt, als man es ihm bei seinem Amtsantritt im Januar 2001 zutraute.

Noch Ende 2000 war Joseph Kabila ein glückloser 29-jähriger Generalmajor, der in Katanga die Regierungsarmee des Kongo in eine vernichtende Niederlage gegen ruandisch unterstützte Rebellen geführt hatte und von seinen simbabwischen Freunden per Boot evakuiert werden musste. Aber nachdem sein Vater, Kongos Präsident Laurent-Désiré Kabila, am 16. Januar 2001 von einem seiner Leibwächter erschossen worden war, flog Simbabwes Militär den Sohn ein und installierte ihn als Staatschef, ohne dass die Kongolesen von ihm je ein Führungswort gehört hätten.

Damals tobte im Kongo noch Krieg, das Land war gespalten, alle Teile wurden von ausländischen Armeen dominiert. Der neue Bewohner des „Marmorpalasts“ von Kinshasa konnte kaum mehr sein als eine Marionette der Militärelite der Hauptstadt, die unter Einfluss der beiden Schutzmächte Angola und Simbabwe stand und von Mineraliengeschäften in Katanga lebte. Dass Joseph Kabila in dieses Terrorregime einschwebte wie ein Fremdkörper und dass er seinem demagogischem Vater Laurent-Désiré so wenig ähnelt, hat hartnäckige Gerüchte genährt. Joseph sei höchstens ein Adoptivsohn, vielleicht sogar ruandischen Ursprungs, heißt es. Ziemlich viel Wahlkampfenergie wurde vom Bemba-Lager auf diese Behauptung gelenkt.

Dass Joseph Kabila seine Militärkarriere in Ruanda begann, als Freund des heutigen ruandischen Armeechefs James Kabarebe, hilft dem Präsidenten dabei nicht wirklich, zumal er sich erst in Reaktion auf die Vorwürfe gegen ihn eine sichtbare Familie zugelegt hat. Dazu gehören die Mutter und Witwe Laurent-Désirés, Mama Sifa, sowie die Gattin Olive Lembe, die er erst im Juni 2006 heiratete und mit der er eine sechsjährige Tochter hat. Vor wenigen Jahren noch war es verboten, Fotos von Olive im Kongo zu veröffentlichen; heute absolviert sie Josephs Wahlkampfauftritte für ihn.

Als Friedensbringer hat Kabila die Bestätigung vom Volk gesucht, und das Volk vor allem in Ostkongos Kriegsgebieten hat seinen Ruf erhört. Häufig hört man Argumente wie diese: Der „kleine Joseph“ ist so ruhig, der macht schon nichts kaputt, und überhaupt kann man sich jetzt keinen Machtwechsel leisten. Bemba, der Polterer, der Politik impulsiv betreibt – der ist zu riskant, und besser macht er es sowieso nicht.

Bemba nimmt die Massen für sich ein, verschreckt aber regelmäßig seine engste Entourage. Kabila macht das Gegenteil. Er hat durch die Wirren von Kongos Friedensprozess hindurch seine engsten Vertrauten loyal gehalten und einen undurchdringlich soliden Machtapparat aufgebaut, der ihn vor den Widrigkeiten der Welt schützt und auch gerne an seiner Stelle politische Entscheidungen fällt. Im Grunde ist die Präsidentschaft Kabila eine Kollektivpräsidentschaft aus Soldaten und alten Freunden aus Kivu und Katanga, die alle auf das ruhende Auge im Sturm in ihrer Mitte starren und sich damit gegenseitig neutralisieren. Und dass Angola, die stärkste Militärmacht der Region, fest auf Joseph Kabila setzt, hält auch seinen Sicherheitsapparat stabil.

Nun muss Kabila beweisen, dass seine Konsenfähigkeit über seinen Machtzirkel hinausreicht. Um des Friedens willen muss er seinen Widersachern die Hand reichen. Bisher war er dazu bloß durch die international ausgehandelten Friedensverträge und die internationale Militärpräsenz gezwungen.