SPD: Rechte gehören verboten

Kaum hetzen ein paar NPDler auf ihrem Bundesparteitag, schon rufen Regierungschef Wowereit und Innensenator Körting nach einem Parteiverbot. Die CDU ist dafür, die Grünen haben so ihre Zweifel

von ULRICH SCHULTE

Den Anstoß gab Berlins oberster Antifa-Kämpfer, der Regierende Bürgermeister höchstselbst. Klaus Wowereit (SPD) hatte vor dem NPD-Parteitag in der Hauptstadt als Erster dafür plädiert, ein Verbot der Neonazi-Partei erneut zu prüfen. Am Wochenende legte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) nach: „Die NPD hat sich noch stärker als vorher zu einer neonazistischen Partei entwickelt“, sagte er mit Blick auf den gescheiterten Versuch des Bundes, ein Verbot im Jahr 2003 vor dem Bundesverfassungsgericht durchzufechten. Eine solche Partei habe „nach unserer Geschichte in Deutschland nichts zu suchen“, so Körting.

Er schlägt vor, die Verfassungschutz-V-Leute aus der NPD abzuziehen. „Ich halte das für komplikationslos machbar. Um die Verfassungswidrigkeit dieser Partei darzustellen, brauche ich die V-Leute nicht.“ Dass Verfassungsschutzmitarbeiter die Partei unterwandert hatten, war 2003 ein Argument des Gerichts gewesen, die Klage abzulehnen.

Damit stellt sich die rot-rote Landesregierung an die Spitze der Verbotsbefürworter. Den perfekten Anlass für den Vorstoß bot der Bundesparteitag der NPD am Wochenende, den das Oberverwaltungsgericht quasi in letzter Minute im Fontane-Haus in Reinickendorf erlaubt hatte. Draußen protestierten 600 DemokratInnen (siehe Text unten), drinnen tagten die Rechtsextremen und bejubelten die Propaganda, die NPD-Chef Udo Voigt verbreitete („Ich begrüße euch zum ersten Bundesparteitag in der Reichshauptstadt!“).

Wie genau eine Argumentation vor dem Verfassungsgericht aussehen könnte, hat sich der Innensenator noch nicht überlegt. „Das Thema muss erst einmal in Bundesrat und Bundestag diskutiert werden“, sagte ein Sprecher Körtings gestern. Auf der Innenministerkonferenz, die Donnerstag beginnt, stehe diese Debatte nicht auf der Tagesordnung.

Der Einfluss Berlins dabei ist begrenzt. Laut Bundesverfassungsgerichtsgesetz kann ein Land allein keinen Verbotsantrag stellen, weil die NPD bundesweit tätig ist – dies könnten nur Bundesregierung, Bundestag oder Bundesrat tun. Zu der Möglichkeit einer Bundesratsinitiative wollte sich Körtings Sprecher nicht äußern. „So weit sind wir noch nicht.“

Bei Körtings Innenministerkollegen in anderen Bundesländern stieß das Vorpreschen auf Vorbehalte. Und auch die Berliner Opposition ist gespalten. Während CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger einen neuen Verbotsversuch befürwortete, meldeten die Grünen Bedenken an. „Die Idee, alle V-Leute zurückzuziehen, ist mir zu undifferenziert“, sagte Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann. Ein Parteiverbot stelle das schärfste Eingriffsmittel des Rechtsstaates dar und müsse sehr gut vorbereitet werden. Ratzmann warb für die gesellschaftliche Auseinandersetzung: „Ein Verbot ist auch ein Eingeständnis von Schwäche. Diese Demagogen müssen mit Argumenten entlarvt werden.“

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