Die strittigen Punkte bleiben

taz-Serie „Koalitionsvertrag unter der Lupe“ (Teil 4): Bei der Wohnungswirtschaft hat sich die PDS gegen die SPD durchsetzen können. In städtebaulichen Fragen hat sie den Kürzeren gezogen

von UWE RADA

Ganz am Schluss in der Arbeitsgruppe Stadtentwicklung hat es die PDS bei den Koalitionsverhandlungen noch einmal versucht. Brauchen wir wirklich einen neuen Senatsbaudirektor? Die Antwort von Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD): Wenn die PDS die Frage ernst meine, erkläre man den Punkt zum Dissens und entscheide ihn in der großen Runde. Dort wurde er nicht einmal aufgerufen. Nun kann die Senatorin machen, was sie will.

Im Grunde ist die kleine Episode aus dem Verhandlungsgeschehen symptomatisch für den Umgang der SPD mit der PDS. Wo beide an einem Strang ziehen, ist man sich schnell einig, zum Beispiel beim Verzicht auf den Verkauf weiterer Wohnungsbaugesellschaften. Dass die Linkspartei das als ihren Sieg verbucht – geschenkt. Wo es aber ans Eingemachte geht, wird der Koalitionspartner ignoriert oder überstimmt. Dem bleibt nichts anderes, als hinterher am besten kein Wort drüber zu verlieren.

Intern aber fällt die Bilanz weitaus zwiespältiger aus. Vor allem am Spittelmarkt haben die Sozialisten eine herbe Niederlage einstecken müssen. Quasi als Vermächtnis des ehemaligen Senatsbaudirektors Hans Stimmann will die SPD den Rückbau der achtspurigen Gertraudenstraße. Die in den Siebzigerjahren gebaute Gertraudenbrücke soll dafür ebenso abgerissen werden wie die benachbarte historische Brücke. Mit einem Brückenneubau soll die historische Dreiecksfigur des Spittelmarkts neu entstehen – und drum herum ein neues Stadtquartier Marke Friedrichswerder.

Für die PDS ist das eine Kampfansage. Sie betont, die bestehende Wohnbebauung würde durch die städtebauliche Verdichtung entwertet. Außerdem, heißt es in einer internen Bilanz, „besteht an dieser Stelle kein Bedarf“. Der apodiktische Ton erklärt sich, wenn man weiß, dass der Spittelmarkt keine städtebauliche Einzelfrage ist, sondern ein Beispiel für die viel allgemeinere Frage: Wie halten wir es mit dem Planwerk Innenstadt?

Für dieses Planwerk – der Umbau der Stadt auf dem Grundriss des historischen Straßenrasters – zeichnete Hans Stimmann verantwortlich. Nicht nur die PDS findet das rückwärtsgewandt, sondern auch die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Claudia Hämmerling (siehe Interview). Dennoch hält die SPD daran fest. Auch Senatorin Junge-Reyer glaubt wohl, mit schicken, teuren Townhouses wie am Friedrichswerder den Wegzug von Familien aus der Innenstadt verhindern zu können. Das Thema „soziale Stadt“ steht auf einem anderen Papier. Auch im Koalitionsvertrag.

Der Formelkompromiss, dass der Stadtumbau „haushaltsneutral“ sein soll, ist recht dehnbar. Selbst PDS-Verhandlungsführerin Katrin Lompscher fürchtete, dass die SPD die Vereinbarung, nach der Brückenneubau aus dem Verkauf von Flächen finanziert werden muss, für sich auslege. In diesem Falle, heißt es, bleibe der PDS nichts anderes, als eine öffentliche Debatte anzuzetteln.

Wer diese dann aufseiten von Junge-Reyer führen wird, ist unklar. Zwar bekommt die Senatorin nun wohl einen neuen Senatsbaudirektor. Wer das aber sein wird, entscheidet in der SPD nur einer – der Regierende. Und der hat gerade mit seinem Nebenjob als Kultursenator mehr zu kämpfen, als ihm lieb ist.