Dem Radfahrer auf der Spur

Der Senat setze sich zu wenig für die Sicherheit der Radler ein, sagt die grüne Verkehrsexpertin Claudia Hämmerling. Radwege endeten im Nichts, die Zahl der Verletzten steige. Auf einer Tour hat sie Gefahrenorte fotografiert. Senat weist Kritik zurück

Von Jörg Meyer

RadfahrerInnen brauchen mehr Sicherheit – und das koste nicht viel, sagt Claudia Hämmerling, die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen im Abgeordnetenhaus. Sie ist durch die Stadt gefahren und hat zusammen mit ihrem Mitarbeiter Stephan von Dassel Fotos geschossen: von zugeparkten Fahrradwegen, solchen, die ins Nichts führen, und unübersichtlichen, gefährlichen Kreuzungen. Gestern stellte sie die Bilder nebst detailliertem Zahlenmaterial vor und leitete daraus einen ganzen Katalog von Forderungen ab.

Berlin nehme bei in Verkehrsunfällen verletzten FahrradfahrerInnen europaweit einen Spitzenplatz ein, sagt Hämmerling. Ihrer Meinung nach reichten die vom Senat vorgeschlagenen Maßnahmen zur Senkung der Zahlen bis zum Jahr 2010 nicht aus. So habe die Zahl der im Straßenverkehr Verletzen laut der polizeilichen Unfallstatistik 2005 mit 4.118 Leicht- und 493 Schwerverletzten einen neuen Höchststand seit 2000 erreicht.

Die Zahl der getöteten RadfahrerInnen sei im laufenden Jahr mit 11 bereits höher als 2005; damals starben sieben RadfahrerInnen auf Berlins Straßen. Nach dem 2005 herausgegebenen Verkehrssicherheitsprogramm des Senats waren 2003 gut 31 Prozent der Verkehrstoten und 26 Prozent der bei Unfällen Schwerverletzten Radfahrer; jeweils nur „übertroffen“ von den FußgängerInnen. Einer der Gründe laut Hämmerling: Autoinsassen würden durch Airbags oder Leitplanken geschützt. Radfahrer seien dagegen ungeschützt.

Angesichts dieser Zahlen kritisiert die Grüne die Umsetzung des Senatsprogramms als unzureichend. „Fahrradstreifen kosten nicht viel Geld. Da sie aber zu Lasten des ruhenden Autoverkehrs gehen, kommt die Markierung nur schleppend voran.“ Hämmerling kritisiert, dass einerseits für 390 Millionen Euro der Tiergartentunnel gebaut werde, andererseits die FahrradfahrerInnen auf der „Ausweichroute“ Chausseestraße aber nur die „gefährliche Fahrspur zwischen parkenden und fahrenden Autos“ zur Verfügung hätten. Laut Hämmerling soll dort auch nach dem Ausbau der Straße kein Fahrradstreifen markiert werden.

Ein anderes Problem ist den meisten RadfahrerInnen wohlbekannt: Vor Baustellen gibt es oftmals nur eine Fahrbahnkennzeichnung für Autos, die Radwege enden hingegen häufig vor einer Sperre oder führen einfach auf die Straße. Auch hier sieht Hämmerling dringenden Verbesserungsbedarf. Ebenso bei den teilweise „irrwitzigen Radwegplanungen“: Viele Radwege endeten laut der Politikerin auf Gehwegen oder einfach „im Nirwana“.

Eine dritte Gefahrenquelle im Straßenverkehr fasst Hämmerling in einer einfachen Aussage zusammen: „Fahrrad- und Fußgängerverkehr passen nicht zusammen.“ Deshalb müssten die Rad- und Fußwege getrennt werden. Auch dazu müssten Fahrradstreifen auf die Straßen gemalt werden. Wo das nicht möglich sei, müsse eben die Geschwindigkeit der Autos auf 30 Stundenkilometer festgelegt werden. Statistisch gesehen sei bei einem Zusammenstoß von Auto und Radfahrer das Verletzungsrisiko bei 50 Stundenkilometern sechsmal so hoch wie bei einer Geschwindigkeit von 30 Stundenkilometern.

Der Fahrradbeauftragte des Senats, Benno Koch, wies die Kritik von Claudia Hämmerling zurück. Er erklärte, dass die Grünen-Politikerin mit falschen Zahlen argumentiere. Europaweit liege Berlin bei der Unfallgefahr für Radfahrer „in einem mittleren Bereich“, so Koch, die Zahl der toten Radfahrer liege in diesem Jahr bisher bei 9. Zudem bewertete er die Arbeit des Senats wesentlich positiver. Für die RadfahrerInnen habe sich bereits einiges getan, sagte Koch, der auch Vorsitzender des Landesverbandes des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (ADFC) ist. So seien eine ganze Reihe von neuen Radwegen ausgewiesen worden.