EU kritisiert Schul-Auslese

EU-Bildungsminister weisen auf negative Auswirkungen des mehrgliedrigen Schulsystems in Deutschland hin. Bundesregierung verhindert noch schärfere Kritik

BRÜSSEL dpa ■ Die Bundesrepublik Deutschland gerät in der Europäischen Union wegen der frühen Auslese in seinem dreigeteilten Schulsystem unter starken Druck. Die Bildungsminister der 25 EU-Staaten verabschiedeten am gestrigen Dienstag in Brüssel ein Ratspapier, das auf negative Auswirkungen solcher Auswahlverfahren hinweist. Nur mit Mühe hatten Deutschland und Österreich im Ministerrat noch schärfere Kritik verhindert, wie Sitzungsteilnehmer anschließend berichteten.

Die Schlussfolgerungen des Rates heben wissenschaftliche Untersuchungen hervor, wonach eine Verteilung der Schüler in zu jungem Alter auf verschiedene Schulformen vor allem die Ergebnisse benachteiligter Kinder verschlechtern kann. „Niemand sagt, es ist positiv“, sagte EU-Bildungskommissar Jan Figel. Er verwies auf zwölf anerkannte Forscher sowie die internationalen Organisationen OECD und Unesco. Nach deren Studien hätten frühe Auswahlverfahren, wie in Deutschland praktiziert, entweder negative oder bestenfalls neutrale Folgen für die Effizienz und die Gerechtigkeit in der Bildung.

„Für benachteiligte Kinder ist der Zusammenhalt besonders wichtig“, sagte der Ratsvorsitzende und finnische Bildungsminister Antti Kalliomäki. „Finnland hält das für eine sehr wichtige Frage.“ Das nordische Land erreichte in den internationalen Pisa-Studien zum Lernvergleich stets einen Spitzenplatz. Die Bundesrepublik Deutschland dagegen landete weit hinten.

Der Minister betonte, Effizienz und Gerechtigkeit müssten sich im Bildungswesen ergänzen: Das eine dürfe nicht auf Kosten des anderen gehen. „Mit Deutschland haben wir eine sehr grundlegende Diskussion geführt über beide Gesichtspunkte“, sagte der Ratsvorsitzende.

Deutschland und Österreich machten im Rat geltend, dass Bildungsfragen eine nationale Zuständigkeit seien. Sie sind nach einer Aufstellung der EU-Kommission zusammen mit Luxemburg und den Niederlanden die einzigen Länder der Europäischen Union, die Schüler frühzeitig auf verschiedene Schulformen verteilen. „Natürlich muss auch die Möglichkeit bestehen, eigene System zu entwickeln“, räumte Kalliomäki ein. Der Brüsseler Rat habe eine entsprechende Formulierung in seine Schlussfolgerungen eingefügt, sagte Kalliomäki.