Stromnetz mit unbekannten Risiken

Menschliches Versagen hat den großen Blackout vor anderthalb Wochen verursacht, sagt Eon. Damit will das Unternehmen den Forderungen der Politik nach höheren Investitionen ins Netz begegnen. Kompromissangebot bei Streit ums Kartellrecht

VON GERNOT KNÖDLER

Eine Fehlkalkulation hat den Blackout am 4. November verursacht. Wie der Energiekonzern Eon gestern mitteilte, sind bei der Untersuchung des europaweiten Stromausfalls keine technischen Fehler festgestellt worden. Das entkräfte den Verdacht, das Netz sei unzureichend gepflegt und ausgebaut worden.

Der Stromausfall entstand durch das planmäßige Abschalten einer Höchstspannungsleitung über die Ems bei Papenburg, wie Eon erläuterte. Fälschlicherweise sei dabei angenommen worden, dass eine Überlastung des Netzes selbst beim Ausfall einer weiteren Leitung ausgeschlossen sei. Dieser Fall sei eine halbe Stunde später eingetreten. Bisher sei unklar weshalb. Bei dem Blackout mussten 10 Millionen Menschen knapp eine Stunde ohne Strom auskommen.

Auf technische Fehlfunktionen von Leitungen oder Steuerungs- und Überwachungssystemen gebe es „keinerlei Hinweise“, erklärte der Konzern. Vielmehr hätten nach derzeitigem Kenntnisstand sämtliche Systeme ordnungsgemäß reagiert, so dass ein vollständiger Blackout habe verhindert werden können. „Unzureiche Instandhaltung oder mangelnde Investitionen können damit als Ursache ausgeschlossen werden“, betonte Eon. Mit dem Hinweis auf menschliches Fehlverhalten will sich Eon dem Druck der Bundesregierung entziehen, die als Reaktion auf den Stromausfall von den Stromkonzernen Investitionen ins Netz angemahnt hat.

Und auch bei einem anderen Konflikt, der geplanten Verschärfung des Kartellrechtes, versucht die Energiewirtschaft ihre Position zu verbessern.

Laut Handelsblatt arbeiten Eon, RWE, Vattenfall und EnBW an einem Angebot, mit dem sie eine stärkere Regulierung des Energiemarktes durch Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) verhindern wollen. Das Konzept soll der Zeitung zufolge sechs Zugeständnisse umfassen: Die Energieversorger wollen sich bereit erklären, wettbewerbsfähige Preise für die energieintensive Industrie zu gewährleisten. Sie wollen der Politik zusichern, sämtlichen Strom über die Leipziger Strombörse (EEX) zu verkaufen. Die Transparenz der Preisbildung an der EEX solle erhöht und der Ausbau einer einheitlichen Strombörse in Europa forciert werden.

Zudem versprächen die Unternehmen, einen diskriminierungsfreien Netzanschluss für neue Kraftwerke sicherzustellen. Geplant sei überdies, den Stromaustausch über die Grenze hinweg auszubauen. Einen leichteren Anschluss neuer Kraftwerke und mehr Koppelstellen ins Ausland hatte auch Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) in der vergangenen Woche von seinem Kollegen Glos gefordert. Er wolle der von Glos geplanten Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen nur zustimmen, wenn der Wirtschaftsminister zur Lösung dieser Probleme Vorschläge mache.

Glos will marktbeherrschenden Energieversorgern verbieten, Preise zu fordern, die die Kosten „in unangemessener Weise“ überschreiten. Der Verband der Elektrizitätswirtschaft (VdEW) warnte, Glos’ Gesetz würde die Liberalisierung des Strommarktes rückgängig machen. „Das wäre wieder ein voll regulierter Markt“, behauptete VdEW-Präsident Werner Brinker. Das novellierte Energiewirtschaftsgesetz sei erst seit einem Jahr in Kraft und müsse die Chance erhalten, sich zu bewähren.