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taz-Serie: „Koalition unter der Lupe“ (Teil 7): Rot-Rot will kundenfreundlichere Ausländerbehörde schaffen. Im Koalitionsvertrag spricht der Senat konkret aber nur davon, neue Standorte zu prüfen

von FELIX LEE

Zumindest einen Punkt in der Koalitionsvereinbarung kann der rot-rote Senat mit einem Häkchen versehen und ihn für sich als erfüllt betrachten – noch bevor die neue Legislaturperiode begonnen hat. Etwa 2.000 langjährig in Berlin lebende Flüchtlinge werden demnächst in den Genuss eines Bleiberechts kommen.

Das hat Innensenator Ehrhart Körting (SPD) zwar nicht selbst verfügt, denn die Bundesregierung ist ihm überraschend zuvorgekommen (taz berichtete). Aber nicht zuletzt war es Körting, der sich seit Jahren für eine solche Regelung eingesetzt hat und das Bleiberecht auf der heute in Nürnberg beginnenden Innenministerkonferenz (IMK) beschließen wollte, um es per Erlass bundesweit einzuführen. Mit der Gesetzesinitiative der Bundesregierung geht eine der wichtigsten Forderungen in Erfüllung, für die sich neben dem rot-roten Senat Kirchen, Sozialverbände und flüchtlingspolitische Initiativen seit Jahren einsetzen.

Doch leider ist es auch fast die einzige. Ansonsten steht dem rot-roten Senat im flüchtlingspolitischen Bereich noch viel Arbeit bevor. Auf genau 2 der fast 70 Seiten umfassenden Koalitionsvereinbarung widmen sich SPD und Linkspartei der Flüchtlingspolitik. Konkret werden sie vor allem, wenn es um die Ausländerbehörde geht. Die ist nicht nur dem Senat schon lange ein Dorn im Auge. „Unfreundlich“ und „diskriminierend“ seien viele der Mitarbeiter, sagt die flüchtlingspolitische Sprecherin der oppositionellen Grünen, Jasenka Villbrandt. Bereits in der letzten Koalitionsvereinbarung wollte Rot-Rot die Ausländerbehörde zu einer „Servicebehörde für Zuwanderer“ umgestalten, in der „Kundenfreundlichkeit und Servicequalität“ eine größere Rolle spielen sollten.

Viel ist bisher nicht geschehen (siehe Interview). Im Gegenteil: Immer noch berichten Flüchtlinge vor allem von der Außenstelle am Nöldnerplatz von SachbearbeiterInnen, die ungeduldig seien und die Antragsteller nicht ausreichend über ihre Rechte informierten. In der Koalitionsvereinbarung wird dazu nüchtern festgestellt: „An den bisherigen Standorten der Ausländerbehörde ist deren Serviceauftrag nur unzulänglich zu erfüllen. Es werden Alternativstandorte geprüft.“

Zudem werden vier weitere Punkte im Koalitionsvertrag aufgezählt, in denen es um interkulturelle Schulungen und Qualifizierungsmaßnamen der MitarbeiterInnen geht und versichert wird, dass die häufig stundenlangen Wartezeiten verkürzt werden. „Alles richtige Ansätze“, sagt Villbrandt. Nur hätten diese Punkte im letzten Koalitionsvertrag auch schon gestanden.

In anderen flüchtlingspolitischen Maßnahmen bleibt der Koalitionsvertrag vage. „Abschiebungshaft zur Durchsetzung hat stets Ultima Ratio zu sein“, steht geschrieben, ohne exakt zu benennen, wann genau die Grenze erreicht ist. Die Haftzeiten sollen verkürzt werden – auch da fehlt eine genaue Zeitangabe. Immerhin sollen Menschen in Abschiebungsgewahrsam bei Erkrankung freie Arztwahl haben. In den vergangenen Jahren hat es mindestens zwei Fälle gegeben, in denen kranken Flüchtlingen, die vom Gefängnisarzt untersucht wurden, keine Krankheit bescheinigt worden ist.

Was vor allem fehlt: das Recht von Flüchtlingskindern auf eine Schul- oder Berufsausbildung. Hier sieht Rot-Rot lediglich vor, dass „geprüft“ werden soll, „ob Schulabsolventen mit gutem Abschluss die Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums ermöglicht werden kann“. „Völlig unzureichend“, sagt Villbrandt. Sie erwartet ein Recht auf Bildung, das für alle Flüchtlingskinder gilt.

Besonders verärgert zeigt sich Villbrandt über die Passage zur Härtefallkommission. Darin wird festgestellt, dass sich die Regelungen zur Härtefallkommission „grundsätzlich bewährt“ hätten. Wenn die Kommission, die unabhängig bewertet, ob es nicht doch besondere Bleiberechtsgründe für abgelehnte AsylbewerberInnen gibt, schon einmal lobend erwähnt werde, dann solle der Innensenator die Entscheidungen auch ernst nehmen, kritisiert Villbrandt. Zu einem Mindestmaß an Achtung gehöre, dass Körting seine Entscheidung begründe, wenn er trotz einstimmigen Votums der Kommission eine vierköpfige Familie dennoch abschiebt.