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: Das verlorene Vertrauen

Eine Horde wildgewordener Migranten greift Polizisten an. So kann man die Vorgänge am Dienstagabend im Wrangelkiez beschreiben, wenn man es sich einfach macht. Genauso wenig würde die Darstellung stimmen, dass eine Horde wildgewordener Polizisten grundlos gegen Migranten vorgegangen sei. Beide Sichtweisen haben ihren wahren Kern. Keine gibt die vielschichtige Realität wieder. Dennoch sind beide weit verbreitet.

KOMMENTAR VON GEREON ASMUTH

So sind Missverständnisse keine Überraschung. Die Konfliktparteien sprechen verschiedene Sprachen. Die beruhen weniger auf deutschem, türkischem oder arabischem Vokabular. Es geht vielmehr um diametral entgegengesetzte Erfahrungen.

Die Polizei arbeitet – bei Großeinsätzen fast zwangsläufig – nach Schema F. Bei Antifa-Demonstrationen nimmt sie Kapuzenträger aufs Korn, bei Nazi-Aufmärschen werden Kurzgeschorene gefilzt, in der Hasenheide gelten Schwarze als Drogendealer, im Wrangelkiez ist der Schwarzhaarige verdächtiger als der danebenstehende Blonde.

Ganz falsch ist keines dieser Vorurteile. Doch wer jemals zu einer dieser Klischeegruppen gehört hat, weiß, wie schnell umgekehrt jeder Polizist nur noch als blöder Bulle gesehen wird. Je weniger die Betroffenen auf notwendiges Fingerspitzengefühl der Beamten vertrauen können, desto eher solidarisieren sie sich im Eifer des Gefechts mit Mitglieder des eigenen Clans – ganz egal ob das nun Antifas, Nazis oder Türken sind.

Ein runder Tisch, wie er jetzt geplant ist, ist ein guter Schritt. Doch die offensichtlich völlig überzogene Darstellung der Polizei, sie sei von 100 Menschen angegriffen worden, unterläuft solch hehre Anstrengungen. Das zeigt: Bis zur dauerhaften Entspannung ist es ein weiter Weg.