Bundespolizei quält Rolli-Fahrer

Als einziger Flughafen verlangt Berlin-Tegel beim Sicherheitscheck den schmerzhaften Wechsel des Gefährts. Jetzt zieht ein Österreicher gegen diese Prozedur vor Gericht

BERLIN taz ■ Martin Ladstätter traute seinen Ohren nicht: „Bitte umsteigen“, forderte ihn der Sicherheitsbeamte auf. Der Rollstuhlfahrer wollte nach einem Wochenende in Berlin in seine Heimatstadt Wien fliegen – davor wartete aber noch eine schmerzvolle Prozedur auf den 40-Jährigen.

Wie alle Rollibenutzer darf Martin Ladstätter am Flughafen Berlin-Tegel nicht mit seinem eigenen, auf ihn angepassten Rollstuhl zum Flugzeug fahren, sondern muss in einen flughafeneigenen Rollstuhl wechseln. Ein Verfahren, das in Deutschland auf keinem anderen Flughafen angewendet wird. „Ich sehe diese Sturheit nicht ein“, sagte Ladstätter der taz. Die Prozedur ist für Ladstätter, der wegen einer Muskelerkrankung auf den Rollstuhl angewiesen ist, äußerst schmerzhaft und mühsam. Der Ersatzrollstuhl bietet ihm anders als das individuell angepasste Modell keinen ausreichenden Halt.

Beschwerdebriefe änderten nichts an der laut Ladstätter „diskriminierenden Vorgehensweise“. Deshalb reichte der Österreicher Klage gegen die für die Sicherheitskontrolle verantwortliche Bundespolizei und damit gegen die Bundesrepublik Deutschland, ein.

Oliver Tolmein, Anwalt von Martin Ladstätter und Buchautor mit Schwerpunkt Bioethik, sagt: „Soweit dieses Vorgehen mit baulichen Gegebenheiten begründet wird, liegt ein Verstoß gegen das Gebot der Barrierefreiheit aus dem Behindertengleichstellungsgesetz vor.“ Außerdem verstoße diese Behandlung gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz und gegen interne Richtlinien der Behörden.

Ladstätter beschreibt die Benachteiligung so: „Ich kann nicht wie andere Flugpassagiere die Sicherheitskontrolle routinemäßig passieren, sondern muss in einer auffälligen Aktion vor allen anderen Reisenden ein für mich essenziell wichtiges Hilfsmittel abgeben.“

Nach den „Richtlinien über die Behandlung behinderter Personen bei der Luftsicherheitskontrolle“, die das Bundesinnenministerium herausgegeben hat und auf die sich Ladstätters Klage unter anderem stützt, dürfen behinderte Menschen „nur bei begründetem Verdacht oder bei Vorliegen sonstiger besonderer Gründe“ zum Verlassen ihres eigenen Rollstuhls aufgefordert werden.

Bis auf Berlin-Tegel werden auf allen deutschen Flughäfen die Rollstühle per Hand kontrolliert. Gegebenenfalls wird eine Staubprobe zur Kontrolle auf Sprengstoffspuren genommen. Die Betroffenen können jedoch in ihren persönlichen Rollstühlen sitzen bleiben. Am Flughafen Tegel sind die räumlichen Verhältnisse beengter als andernorts, weil das 1974 eröffnete Gebäude nach dem Prinzip der kurzen Wege konstruiert wurde. Jeder einzelne Flugsteig hat daher seine eigene, enge Sicherheitsschleuse. Zentrale Sicherheitskontrollen wie an den meisten modernen Großflughäfen gibt es nicht.

Das zuständige Bundespolizeipräsidium Ost wollte sich auf Anfrage der taz unter Verweis auf das laufende Verfahren nicht äußern. In der Stellungnahme für das Gericht argumentierte die Bundespolizei laut Anwalt Tolmein unter anderem damit, dass durch die „beengten Raum- und Platzverhältnisse“ in Tegel gegenwärtig „nicht die Voraussetzungen für eine angemessene und die Persönlichkeitsrechte wahrende Kontrolle“ gegeben seien.

Für Ladstätter eine faule Ausrede. „Mein persönlicher Rollstuhl ist viel kompakter als die Flughafenrollstühle“, sagt der Österreicher. Die derzeitige Vorgehensweise lasse sich sofort wie bei den anderen Flughäfen üblich organisieren. Ladstätter will Anfang Dezember erneut nach Berlin reisen. Auf dem Programm steht die Verleihung des „Biene“-Preises, der an barrierefreie Internetangebote verliehen wird, etwa an Webseiten für Sehbehinderte oder Gehörlose.

MARTIN LANGEDER